Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang.
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heißen die Muspellsleute, die das von Snorri als Naglfar gedeutete
Schiff bemannen, fifls megir, und das ist augenscheinlich Variation
von Muspellz megir, fifls mithin Variation von Muspellz, es lag
also nicht fern, das Schiff nach dieser Persönlichkeit zu benennen.
Nun wäre allerdings der Nominativ in der Form *Muspellr zu er-
warten1. Aber daraus folgt nicht, daß Muspell ein Schreiber-
fehler ist. Auch der Name des jüngsten Bruders der Svanhild,
Erpr, entspricht nicht den nordischen Lautgesetzen, und doch
unterliegt es keinem Zweifel, daß er Jahrhunderte lang in dieser
Form weitergegeben worden ist. Es war eben die Form, in der
deutsche Sänger ihn nach Skandinavien gebracht hatten. So wird
auch der unregelmäßige Nominativ Muspell verständlich unter
der Annahme, daß er aus poetischer Überlieferung stammt, die
aus Deutschland herkam. Dies wird bestätigt durch den Heliand-
vers mutspelli cumid (V. 4358, mutspelli setzt ein älteres mutspell
voraus), zumal wenn man ihn zusammenhält mit Völuspä 51:
koma muno Muspellz. . . . Sprachlich abnorm war der männliche
Nominativ Muspell nicht. Er hatte eine Stütze an Mannsnamen
wie Hrafnkell, Hagall.
Es kommt hinzu, daß der gemeine Text sich im großen gan-
zen als der weitaus bessere und echtere erweist'2. Dies zeigt sich
z. B. in der Baldrgeschichte u. a. darin, daß er die von Snorri
benutzten poetischen Quellen treuer spiegelt. Derselbe Fall liegt
hier vor. Um das voll zu erkennen, müssen wir freilich die deut-
schen Verse vom Muspell mit heranziehen.
Daß dies erlaubt ist, beweist schon die Verbreitung des Wor-
tes Muspell. Sie läßt sich nicht wohl anders erklären als durch die
Wanderung deutscher kosmologischer Verse nach Skandinavien.
Auch die Wanderung von Heldenliedern in derselben Richtung
steht außer Zweifel3.
Unsere Folgerung besteht um so mehr zu Recht, als die wört-
lichen'Anklänge zwischen deutscher und nordischer Weltunter-
gangsdichtung sich nicht auf den Namen Muspell beschränken.
Wir sahen soeben, daß auch die Wendung 'Muspell kommt’ der
Edda und dem Heliand gemeinsam ist (vgl. noch riüfendr koma
1 Braune a. a. O. 441.
2 Vgl. Finnur Jonsson, Aarboger 1898, S. 283ff., W. van Eeden,
De Codex Trajectinus van de Snorra Edda, Leiden 1913, S. LXXXVIIIff.
3 Symons, Ztschr. f. dtsch. Phil. 38, 145ff.; Verf. Ztschr. f. dtsch.
Unterricht 30, 92ff.
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heißen die Muspellsleute, die das von Snorri als Naglfar gedeutete
Schiff bemannen, fifls megir, und das ist augenscheinlich Variation
von Muspellz megir, fifls mithin Variation von Muspellz, es lag
also nicht fern, das Schiff nach dieser Persönlichkeit zu benennen.
Nun wäre allerdings der Nominativ in der Form *Muspellr zu er-
warten1. Aber daraus folgt nicht, daß Muspell ein Schreiber-
fehler ist. Auch der Name des jüngsten Bruders der Svanhild,
Erpr, entspricht nicht den nordischen Lautgesetzen, und doch
unterliegt es keinem Zweifel, daß er Jahrhunderte lang in dieser
Form weitergegeben worden ist. Es war eben die Form, in der
deutsche Sänger ihn nach Skandinavien gebracht hatten. So wird
auch der unregelmäßige Nominativ Muspell verständlich unter
der Annahme, daß er aus poetischer Überlieferung stammt, die
aus Deutschland herkam. Dies wird bestätigt durch den Heliand-
vers mutspelli cumid (V. 4358, mutspelli setzt ein älteres mutspell
voraus), zumal wenn man ihn zusammenhält mit Völuspä 51:
koma muno Muspellz. . . . Sprachlich abnorm war der männliche
Nominativ Muspell nicht. Er hatte eine Stütze an Mannsnamen
wie Hrafnkell, Hagall.
Es kommt hinzu, daß der gemeine Text sich im großen gan-
zen als der weitaus bessere und echtere erweist'2. Dies zeigt sich
z. B. in der Baldrgeschichte u. a. darin, daß er die von Snorri
benutzten poetischen Quellen treuer spiegelt. Derselbe Fall liegt
hier vor. Um das voll zu erkennen, müssen wir freilich die deut-
schen Verse vom Muspell mit heranziehen.
Daß dies erlaubt ist, beweist schon die Verbreitung des Wor-
tes Muspell. Sie läßt sich nicht wohl anders erklären als durch die
Wanderung deutscher kosmologischer Verse nach Skandinavien.
Auch die Wanderung von Heldenliedern in derselben Richtung
steht außer Zweifel3.
Unsere Folgerung besteht um so mehr zu Recht, als die wört-
lichen'Anklänge zwischen deutscher und nordischer Weltunter-
gangsdichtung sich nicht auf den Namen Muspell beschränken.
Wir sahen soeben, daß auch die Wendung 'Muspell kommt’ der
Edda und dem Heliand gemeinsam ist (vgl. noch riüfendr koma
1 Braune a. a. O. 441.
2 Vgl. Finnur Jonsson, Aarboger 1898, S. 283ff., W. van Eeden,
De Codex Trajectinus van de Snorra Edda, Leiden 1913, S. LXXXVIIIff.
3 Symons, Ztschr. f. dtsch. Phil. 38, 145ff.; Verf. Ztschr. f. dtsch.
Unterricht 30, 92ff.