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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0040
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40

Gustav Neckel:

sagt 'die Heiligtümer der Äsen brennen’ (bei Thors Gewitterfahrt)
und ebenso der Völuspädichter für 'der Wolf rötet den Himmel’
(mit Blut, vgl. Valkyrienlied 9) 'der Wolf rötet die Sitze der Göt-
ter’, so muß man die Himmelskuppel selbst und die Wolken als
die Wohnsitze der Götter angeschaut haben1. Ein Feuer aber,
bei dessen Erlöschen diese Götterlande wieder da sind und neue
Herren erfordern, ist ein Feuer, das bis an den Himmel empor-
schlug und ihn in Flammen und Rauch einhüllte: sobald es zu-
sammensinkt, tritt das Firmament wie nach einem Gewitter
wieder in altem Glanz hervor. Ein solches Feuer ist also in unserer
Wissensfrage gemeint.
Daß wir uns hier in einer anderen Phantasiewelt befinden,
als wenn der christliche Bußprediger den Weltuntergang ausmalt,
dürfte einleuchten. Der Abstand wird noch größer, wenn wir
hinzunehmen, daß nach der nordischen Tradition — die allein
die Yöluspä ausführlich vorträgt — unmittelbar, ehe das Feuer
überhand nimmt, die Erde ins Meer sinkt. Also ein Untergang
in Wasser und Feuer zugleich. Dieses Doppelmotiv wollte Olrik
anfangs so erklären, daß der Völuspädichter die nordische Flut
mit dem christlichen Weltbrand kombiniert habe. Später ist er
darauf aufmerksam geworden, daß das Versinken der Erde ins
Meer und der Weltbrand auch anderswo ein Paar bilden. Er sagt
darüber (2, 259): 'Das Merkwürdige ist, daß es (das Ertrinken
der Erde) fast niemals allein auftritt, sondern als Zwillingsbruder
des Weltbrandes: Die Welt wird durch Feuer verheert und schwimmt
kahl und nackt im Weltmeer, von wo Brahma in Gestalt einer
Schildkröte sie wieder emporhebt (indisch)2; der Wasserkönig
und der Feuerkönig bedrohen das Dasein der Welt (Kambodscha,
vgl. 2, 209 f.); die Erde soll im Weltmeer versinken, aus dem sie
einst aufgetaucht ist, und danach soll das All verbrannt werden
(Heraklit); ein Weltbrand und eine Weltflut werden zu verschie-
dener Zeit eintreten (Berosus, Stoiker); die Welt soll in Feuer
und Wasser vergehen (gallische Druidenlehre, vgl. 1, 27f.); Irland
1 Eine Erinnerung daran darf vermutlich in den lyft-edoras der ags.
Exodus V. 251 gesucht werden, zu deren Erwähnung merkwürdigerweise
eine gen Himmel züngelnde Feuersäule Anlaß gibt. Der Glaube an den
himmlischen Aufenthalt der Götter liegt auch dem Gebet und dem Los-
wurf in freier Natur zugrunde (Olrik, Nordisches Geistesleben S. 34).
2 Nach Mahabharata 3, 142 (Jacobi S. 43) hebt Wischnu als Eber
die hundert Tagereisen tief versunkene Erde mit seinen Hauern wieder in
die Höhe.
 
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