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Gustav Neckel:
die kahle Formel des griechischen Berichterstatters haben1, für
die altnordische ein von Dichterhand gezeichnetes Bild — die
klassische Gestaltung des Gedankens überhaupt —, so wird doch
anderseits der Zusammenhang verbürgt durch den mannigfachen
gemeinsamen Kulturbesitz der Germanen und Kelten. Daraus
folgt aber, daß die Weltvernichtung der Völuspä ein Glied in einer
Traditionskette ist, die unmittelbar mit dem Christentum nichts
zu schaffen hat. Das christliche Vernichtungsfeuer ist jüdisches
Erbe, und vermutlich steht auch das Feuer, mit dem Jahve die
Welt züchtigen wird, nicht außer Zusammenhang mit dem Zeit-
feuer des Schiwa2. Aber die alten Israeliten haben aus dem zu-
künftigen Feuer ein Strafgericht ihres Gottes gemacht3 und
damit dem Gedanken den semitischen Stempel aufgedrückt.
Mit diesem Stempel, als den 'Tag des Herrn’, hat das Christen-
tum ihn übernommen. Es kennt kein Feuer beim Weitende als
das, das dem Richter vorangeht und die Menschen heimsucht.
Diesem semitischen Weltfeuer steht das der Eddalieder gegenüber
als letzter Vertreter des älteren, heidnischen Typus. Als deut-
lichstes Zeichen der Urverwandtschaft aber überlebt auf beiden
Seiten das Fallen und Sichverfärben der Himmelskörper, eine
Vorstellung, die wegen ihres starken ängstigenden Gefühlswertes
auch auf semitisch-christlicher Seite hat fortleben dürfen.
Der Weltbrand ist vielleicht von Haus aus kein mythisches,
sondern ein reines Naturmotiv. Als solches erscheint es in Strophe
57 der Völuspä, die, nach Olriks Ausdruck, 'reine Physik’ enthält.
Aber wie in Str. 40 der mythische Verschlinger der später doch
nur schwarz werdenden Sonne erscheint, so in Str. 52 der mythi-
sche Anzünder der Lohe, Surt mit seinem Schwerte, der, wie wir
gesehen haben, der Anführer der durch die Luft heraneilenden
Muspellssöhne gewesen ist. Auch diese kommen, wie aus der
Übereinstimmung Snorris mit dem Wortgebrauch der deutschen
stabreimenden Geistlichen hervorgeht, mit Feuer und verbrennen
die Welt. Woher stammt diese Muspellschar, und woher stammt
Surt ?
1 Strabon, Geogr. 4, 4, 4: s-ixpaTrjasiv 8e tote xal Tiüp xal uScop.
2 Olrik hielt den jüd. Weltuntergang für ursprünglich ganz frei
von Ragnarökmotiven, lediglich aus dem 'Begriff von Gottes unendlicher
Übermacht über die sichtbare Welt’ herausentwickelt (2, 278).
3 Vgl. Jes. 10, 16f. 13, 9f. Joel 2. Ps. 50, 3. 97, 3.
Gustav Neckel:
die kahle Formel des griechischen Berichterstatters haben1, für
die altnordische ein von Dichterhand gezeichnetes Bild — die
klassische Gestaltung des Gedankens überhaupt —, so wird doch
anderseits der Zusammenhang verbürgt durch den mannigfachen
gemeinsamen Kulturbesitz der Germanen und Kelten. Daraus
folgt aber, daß die Weltvernichtung der Völuspä ein Glied in einer
Traditionskette ist, die unmittelbar mit dem Christentum nichts
zu schaffen hat. Das christliche Vernichtungsfeuer ist jüdisches
Erbe, und vermutlich steht auch das Feuer, mit dem Jahve die
Welt züchtigen wird, nicht außer Zusammenhang mit dem Zeit-
feuer des Schiwa2. Aber die alten Israeliten haben aus dem zu-
künftigen Feuer ein Strafgericht ihres Gottes gemacht3 und
damit dem Gedanken den semitischen Stempel aufgedrückt.
Mit diesem Stempel, als den 'Tag des Herrn’, hat das Christen-
tum ihn übernommen. Es kennt kein Feuer beim Weitende als
das, das dem Richter vorangeht und die Menschen heimsucht.
Diesem semitischen Weltfeuer steht das der Eddalieder gegenüber
als letzter Vertreter des älteren, heidnischen Typus. Als deut-
lichstes Zeichen der Urverwandtschaft aber überlebt auf beiden
Seiten das Fallen und Sichverfärben der Himmelskörper, eine
Vorstellung, die wegen ihres starken ängstigenden Gefühlswertes
auch auf semitisch-christlicher Seite hat fortleben dürfen.
Der Weltbrand ist vielleicht von Haus aus kein mythisches,
sondern ein reines Naturmotiv. Als solches erscheint es in Strophe
57 der Völuspä, die, nach Olriks Ausdruck, 'reine Physik’ enthält.
Aber wie in Str. 40 der mythische Verschlinger der später doch
nur schwarz werdenden Sonne erscheint, so in Str. 52 der mythi-
sche Anzünder der Lohe, Surt mit seinem Schwerte, der, wie wir
gesehen haben, der Anführer der durch die Luft heraneilenden
Muspellssöhne gewesen ist. Auch diese kommen, wie aus der
Übereinstimmung Snorris mit dem Wortgebrauch der deutschen
stabreimenden Geistlichen hervorgeht, mit Feuer und verbrennen
die Welt. Woher stammt diese Muspellschar, und woher stammt
Surt ?
1 Strabon, Geogr. 4, 4, 4: s-ixpaTrjasiv 8e tote xal Tiüp xal uScop.
2 Olrik hielt den jüd. Weltuntergang für ursprünglich ganz frei
von Ragnarökmotiven, lediglich aus dem 'Begriff von Gottes unendlicher
Übermacht über die sichtbare Welt’ herausentwickelt (2, 278).
3 Vgl. Jes. 10, 16f. 13, 9f. Joel 2. Ps. 50, 3. 97, 3.