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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0046
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46

Gustav Neck-el:

selbe zeigt die Fesselung der Engel: sie entspricht der Fesselung
Lokis und des Fenriswolfes, die Engel sind also Vertreter des
'gefesselten Unholds’. Daß sie gerade am Euphrat gefesselt liegen,
erklärt sich wohl so, daß hier die Erinnerung an Einfälle der
Parther hereinspielt1. Überhaupt setzt ja die Vorstellung eines
mythischen Reiterheeres entsprechende Eindrücke aus der mensch-
lichen Wirklichkeit voraus. Auch das Feuer, das den Rossen aus
dem Maule geht, kann mit solchen Eindrücken Zusammenhängen.
Diese müssen sich aber assoziiert haben mit dem überlieferten
Phantasiebilde feuerspeiender Tiere. Die weithin tötende Wir-
kung des Feuers muß Zusammenhängen mit der Idee des Welt-
brandes, den ja Surt und die Muspellssöhne wirklich entzünden.
Wie das zugeht, sagt uns freilich weder Snorri noch sonst eine
Quelle. Die Völuspä weiß nur, daß Surt 'mit dem Feuer’ kommt,
ebenso kommt für den bayerischen Eliasdichter der stäatago,
der ihm etwa das gleiche ist wie Muspilli. Die Feuerreiter der
Apokalypse scheinen geeignet, diese Lücke auszufüllen.
Die Apokalypse selbst ist eine abgeleitete, stark synkretisti-
sche Quelle. Aber eben durch ihren synkretistischen Stoffhunger
wird sie für den Kulturhistoriker wertvoll. Sie bezeugt, was alles
zu ihrer Zeit in hellenistischen Geistern umging. Ob die Luft-
reiter, von denen sie uns erzählt, nur als Strafdämonen im jüdi-
schen Sinne bekannt gewesen sind, oder ob wir es mit der Judaisie-
rung heidnischer Ragnarökmotive zu tun haben, läßt sich bis
jetzt nicht beurteilen. Sind diese Wesen babylonischer Herkunft,
so wäre ersteres nicht undenkbar. Der heidnische Charakter der
germanischen Muspellschar würde sich auch bei einem jüdischen
Urbilde begreifen. Näher liegt es allerdings, für die Apokalypse
und den germanischen Mythus eine gemeinsame heidnische Quelle
vorauszusetzen, die Sage, daß eines Tages die Welt in Rrand ge-
steckt und untergehen werde durch dämonische Luftreiter, die
zerstörungswütig wie ein wildes Feindesheer hereinbrechen wür-
den. Diese Prophetie mögen Goten in Kleinasien oder am Pon-
tus gehört haben.
Auch Surt läßt sich in diesen Gegenden anknüpfen. Er hat
eine eigentümliche Doppelrolle: er kämpft gegen Freyr, und er
verbrennt die Welt; er führt das leuchtende Schwert, und er
kommt mit dem Feuer2. Aus diesen Angaben läßt sich ein sicheres
1 Bousset, Die Offenbarung Johannis (1896) S. 355f.
2 Diesen Widerspruch hebt R ani sch hervor, Zs. d. Ver. f. Volksk. 14, 460.
 
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