Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang.
51
seinen Fall hat sich die Sage von der Geburt und der Rachetat
des Väli geschlossen — ob erst im Norden oder schon bei den
Goten oder in Deutschland, das erkennen wir nicht.
Da die Muspellschar ebenfalls bekämpft werden mußte, so
entstand die Reiterschlacht zwischen Göttern und Dämonen in
der Luft und zwar bei den Goten oder einem anderen südlichen
Germanenstamm, dem fechtende Reiterscharen eine geläufige
Vorstellung waren.
Frey und den Feuerdämon machte man zu Anführern in dieser
Schlacht. Das entwicklungsgeschichtliche Verhältnis, das in dieser
Rolle zwischen Surt und Muspell, dem 'Vater5 der Muspellschar,
bestanden hat, ist verschieden vorstellbar.
Die in der Luft streitenden Heere ähnelten einem verbreiteten
abergläubischen Phantasiebilde: die in einer Schlacht Gefallenen
kämpfen in den Wolken über dem Schlachtfelde weiter1. Daher
hat man in den göttlichen Kämpfern gegen die Ragnarökdämonen
gefallene Krieger gesehen, die zu den Göttern erhoben waren
und ihnen Heeresfolge leisteten: die Einherier. Und man hat den
Totenheimführer und Herrn der Walstatt Odin zu ihrem und der
Götter Anführer im Kampfe gemacht. So erklärt es sich, daß
Odin der Nebenbuhler und Nachfolger des Frevr als Götterhäupt-
ling und als Schützer der Menschen — was der leichengierige
Gott ursprünglich nicht war — geworden ist, und daß man seinen
Getreuen statt denen des Freyr die Muspellschar gegenüber-
gestellt hat. Der Mythus von den täglich zum Kampfe ausziehen-
den Einheriern (Vafpr. 40 f.) scheint ein Ableger der von Odin
geleiteten Ragnarökschlacht. Sie reiten, und der Schauplatz
ihres Kampfes ist das Luftreich2. Aber die tägliche Wiederkehr
dieses Waffenspiels stammt aus der Wiedergängersage, wie wir
sie z. B. in der nordischen Hildedichtung haben. Merkwürdig
ist, daß auch in der Hildedichtung die Assoziation zwischen der
Wiedergängerschlacht und dem Ragnarök auftaucht: 'Es heißt
in den Gedichten, daß die Hiaöningar (Hetelinge) so die Götter-
dämmerung erwarten sollen (skolu svä bida ragnarokrs)', sagt
Snorri. Auch das tägliche Fechten der Einherier ist eine Vor-
übung auf den Tag der großen Entscheidung. Wir sehen hier
1 Belege bei Stjerna, Fran filol. föreningen i Lund 3 (1906) S. 151 ff.;
Böckel, Zs. f. dtsch. Unt. 29 (1915) S. 34ff.
Odins tun = Hröpts sigtöptir Vsp. 62, 6 = vindheim vidan Vsp. 63, 5.
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seinen Fall hat sich die Sage von der Geburt und der Rachetat
des Väli geschlossen — ob erst im Norden oder schon bei den
Goten oder in Deutschland, das erkennen wir nicht.
Da die Muspellschar ebenfalls bekämpft werden mußte, so
entstand die Reiterschlacht zwischen Göttern und Dämonen in
der Luft und zwar bei den Goten oder einem anderen südlichen
Germanenstamm, dem fechtende Reiterscharen eine geläufige
Vorstellung waren.
Frey und den Feuerdämon machte man zu Anführern in dieser
Schlacht. Das entwicklungsgeschichtliche Verhältnis, das in dieser
Rolle zwischen Surt und Muspell, dem 'Vater5 der Muspellschar,
bestanden hat, ist verschieden vorstellbar.
Die in der Luft streitenden Heere ähnelten einem verbreiteten
abergläubischen Phantasiebilde: die in einer Schlacht Gefallenen
kämpfen in den Wolken über dem Schlachtfelde weiter1. Daher
hat man in den göttlichen Kämpfern gegen die Ragnarökdämonen
gefallene Krieger gesehen, die zu den Göttern erhoben waren
und ihnen Heeresfolge leisteten: die Einherier. Und man hat den
Totenheimführer und Herrn der Walstatt Odin zu ihrem und der
Götter Anführer im Kampfe gemacht. So erklärt es sich, daß
Odin der Nebenbuhler und Nachfolger des Frevr als Götterhäupt-
ling und als Schützer der Menschen — was der leichengierige
Gott ursprünglich nicht war — geworden ist, und daß man seinen
Getreuen statt denen des Freyr die Muspellschar gegenüber-
gestellt hat. Der Mythus von den täglich zum Kampfe ausziehen-
den Einheriern (Vafpr. 40 f.) scheint ein Ableger der von Odin
geleiteten Ragnarökschlacht. Sie reiten, und der Schauplatz
ihres Kampfes ist das Luftreich2. Aber die tägliche Wiederkehr
dieses Waffenspiels stammt aus der Wiedergängersage, wie wir
sie z. B. in der nordischen Hildedichtung haben. Merkwürdig
ist, daß auch in der Hildedichtung die Assoziation zwischen der
Wiedergängerschlacht und dem Ragnarök auftaucht: 'Es heißt
in den Gedichten, daß die Hiaöningar (Hetelinge) so die Götter-
dämmerung erwarten sollen (skolu svä bida ragnarokrs)', sagt
Snorri. Auch das tägliche Fechten der Einherier ist eine Vor-
übung auf den Tag der großen Entscheidung. Wir sehen hier
1 Belege bei Stjerna, Fran filol. föreningen i Lund 3 (1906) S. 151 ff.;
Böckel, Zs. f. dtsch. Unt. 29 (1915) S. 34ff.
Odins tun = Hröpts sigtöptir Vsp. 62, 6 = vindheim vidan Vsp. 63, 5.