Metadaten

Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 11. Abhandlung): Der Kommunismus der Wiedertaeufer in Muenster und seine Quellen — Heidelberg, 1919

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37688#0015
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Kommunismus der Wiedertäufer in Münster und seine Quellen. 15

Sein Beweismaterial ist also in erster Linie: IV. Clemens,
daneben einzelne Aussprüche Augustins und der Philosophen, der
Weisesten der alten Welt; sein Ergebnis: Gemeinbesitz ist ur-
sprüngliches, göttliches Recht und deshalb Christengesetz, Eigen-
tum menschliches, Eigennutz und Gewalt entstammendes Recht,
und deshalb Weltgesetz. Nun war Franck zwar, wie seine weiteren
Schriften immer deutlicher zeigen, keineswegs der Meinung, daß
man das Eigentum abschaffen müsse. Er entzog dieser ganzen Lehre
dadurch den Boden, daß er die Scheidung der Christen von der
Welt verwarf. Denn solche führt allemal zu äußerem kirchlichen
Wesen, zum Buchstabendienst. Es ist ,,Schrift“, nicht „Geist".
Eben darum mußte er sich auch von den Täufern trennen. Sie
sind ihm, wie auch aus dem Brief an Campanus erhellt, eine dritte
falsche Bildung der Reformationsbewegung neben Lutheranern und
Zwinglianern: die Geistkirche bleibt unsichtbar und ist überall.
Im dritten Buch der „Geschichtsbibel“, der „Ketzerhistorie“, aus
der auch der oben genannte von Rothmann benutzte Absatz über
Tertullians Auffassung vom Nachtmahl stammt, gibt er S. 444b
bis 452b eine ausführliche, sehr wertvolle Darstellung der Wieder-
täuferlehren, die voll Kritik ist und in eine Absage ausläuft. Darin
berührt er auch die verschiedene Art und Weise, wie die Täufer
die Eigentumsfrage gelöst haben (S. 445b). Die einen haben wirk-
lich „alle Dinge gemein, keiner sagt, daß etwas sein sei, und alles
Eigentum ist bei ihnen Sünde“, die andern — offenbar die meisten
- haben die Dinge nur insofern gemein, als sie niemand Not
leiden lassen, „nicht daß einer den andern in das Seine falle,
sondern daß in der Not eines jeden Gut des andern sein soll, und
keiner nichts gegen dem anderen verbergen, sondern ein offenes
Haus halten soll“, der Geber soll willig, der Nehmer unwillig sein
und „seine Brüder sparen und nicht überlasten“. Aber Franck
findet trotz dieser edlen Grundsätze bei ihnen „große Heuchelei,
Untreue und sehr viel Ananiae, wie sie selbst wohl wissen“, auch
in Mähren, wo Hans Hut offenbar wirklichen Kommunismus ver-
trat, dann aber im Verhör auf den uneigentlichen, freiwilligen Liebes-
kommunismus sich zurückzog1 *. Auch bei der ersten, strengen Art
findet Franck „immerzu noch des alten Adams Frommheit und
angenommene Möncherei“, „gerade weil sie sich selbst für die
Heiligen und Reinen halten“ und von den anderen absondern. Sie
1 Franck, Geschichtsbibel, S. 449b zus. mit 445b; Kegler in Real-
Enc.3 VIII, 491.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften