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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0062
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62

R. Reitzenstein.:

und doch von seiner prophetischen Literatur so stark beeinflußten,
dem Christentum entgegentretenden Gemeinschaft, in welcher die
über alle Prophetenschätzung hinausgehende Vorstellung eines
„Gesandten“ Gottes ähnlich wie in der Evangelienquelle Q wal-
tete (vgl. für letztere auch v. Harnacic a. a. 0. 169). Für die
Wertung der neuen Schrift hat also die Frage der Priorität keine
entscheidende Bedeutung, nur für die Datierung der Quelle Q.
Der Tatbestand läßt mir als Philologen wohl keine Wahl: der man-
däische Text entspringt nach seiner ganzen Anlage dem Jesajas
direkt und bietet seine Worte noch deutlich abgesondert, in einer
Parallelfassung sogar allein, Q fußt auf dem mandäischen Text,
gestaltet ihn aber freilich nach den ihm bekannten Stellen des
Jesajas wirkungsvoll um1. Nun bietet Q diese Worte und dies
Zitat in einer Auseinandersetzung mit den Johannes-Gläubigen,
einer Auseinandersetzung, die uns am besten verständlich wird,
wenn wir uns jener anderen Auseinandersetzung mit ihnen im
Prolog des Johannes-Evangeliums (v. 8) erinnern: oux tjv sxsZvog
to ©Lp, <y.7JC iva, pocpTUpyjcry) Trspl toö ©cotop. Sie zeigen, daß noch
später die Johannes-Gläubigen ihn selbst als Erscheinungsform
des „Menschen“ oder „Lichtes“ betrachtet haben müssen2. Gegen
sie polemisiert auch Q: Johannes habe nur von einem kommenden
Messias gesprochen, und was sie nach ihrer eigenen Schrift von
diesem erwarteten, habe Jesus, aber erst Jesus, erfüllt3. So preist
1 Man wende nicht ein, daß jene große Dreiheit, auf die sich die Ver-
kündigung des Enös bezieht, Leben, Licht, Wahrheit, aus dem Johannes-
evangelium stammen müsse. Sie sind —• sogar persönlich gedacht — Grund-
begriffe mandäischer Gottesanschauung, und die Bildersprache des Johannes-
evangeliums weist zwingend auf Einflüsse aus diesen Kreisen. Doch muß
ich den Nachweis auf eine andere Zeit verschieben.
2 Daß cp«- der iranischen Mystik als övoga -poarjyopL/.ov des "Avü-pwiroc
gilt, zeigt Poimandres S. 104.
3 Auch in der Schrift von Jöhänäs Ausgang (Genzä r. V 4 p. 192) sagt
dieser: ,,Im Namen dessen, der sich mir offenbarte, im Namen des Zukünf-
tigen, der kommen soll.“ Das könnte alt sein. Daß der Vers des Johannes-
Prologs nur als Polemik gegen eine fortlebende Johannes-Gemeinde verständ-
lich ist, wurde bald nach der Publikation des Genzä von verschiedenen Seiten
bemerkt, aber wenig beachtet. Mich wies, ohne diese Vorgänger und das
Mandäische überhaupt zu kennen, vor fast zwanzig Jahren Ed. Schwärt/.
im Gespräch darauf. Die Bedeutung der Tatsache, daß die Evangelien mit
Johannes beginnen und noch lange neben den Christus-Gläubigen Johannes-
Gläubige stehen, war uns damals schon klar; dem Problem beizukommen,
wußte ich nicht. Auch jetzt möchte ich nur hervorheben, daß sich noch in
der jungen, sehr stark von dem Evangelienberichf beeinflußten Schilderung
 
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