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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0070
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70

R. Reitzenstein:

scheinen. Ich kann die Lösung nur nach der Seite suchen, daß
schon der älteste griechische Text hier von dem aramäischen
Urbericht abwich, um auch das falsche Zeugnis doch als eine gott-
gewollte Prophetie erscheinen zu lassen, etwa wie die Aufschrift
„der König der Juden“1. Dann werden wir an sich geneigt sein,
auch die Abweichung in der Antwort syco zl[u auf Rechnung des
Markus, zu setzen; weder Lukas noch Matthäus hätten zu der
Änderung einen Grund gehabt. Eine abweichende Tradition
muß ihnen Vorgelegen haben, die für uns freilich nur dem Sinn,
nicht dem Wortlaut nach zu bestimmen ist. Ich halte es für durch-
aus möglich, daß in dem aramäischen Urbericht statt des Tempels
ein mehrdeutiges Wort eingesetzt war, und die Vermutung daß die
manichäische Fassung mit dem Worte äpcidän das Ursprüngliche
bot, könnte auftauchen. Allein dann müßte in die aramäische
Urfassung, deren Fortwirken bis in Manis Zeit seltsam genug
wäre, nachträglich aus Markus die Scheidung von ysipoTuocyroc
und ay£t,po-ov/]Toc eingesetzt sein. Mir scheint die Annahme
leichter, daß die manichäische Quelle Markus selbst zugrunde
legte und nur nachträglich aus der Enösbotschaft, die ja im Orient
weiterlebte, das Wort „Palast“ .eindrang. Ich möchte diesen
neuen Fund daher nicht überschätzen2.
Gewiß bliebe auch hierbei manches unsicher; aber die literarische
Entwicklung wäre immerhin unter dieser Voraussetzung ebenfalls
verständlich. Als sich der Gegensatz zwischen dem Judentum
und dem jungen Christentum, verschärfte, mußte das Messiasbild
1 Ähnlich faßt später der Verfasser der Vita et passio Cypriani den Wort-
laut des richterlichen Urteils, vgl. Sitzungsber. d. Heidelb. Akademie 1913
Abh. 14 S. 62.
2 Für die Gemeinde lag noch später das Entscheidende nicht in der
Verweigerung der Antwort auf die Frage „Bist du Gottes Sohn?“, sondern
in der Anerkennung des Anspruches, der Mensch oder „Menschensohn“ zu
sein. Das zeigt noch Hegesipps Bericht über das Ende des Jacobus bei Euse-
bios II 23,12 p. 168, 23 Scnw. eitel 6 Xaot; -XavScTca otucco ’l^aou toü cTaupai-
9-svtop, äraxyysiAov Tjgiv, ’h Füpa toü ’Raoü (die „Sekte Jesu“, wie im
Mandäischen). xal ä7texplvccTo cpcovp geyaXp • ti ge ETtepcoTÖcTe itepl toü uloü toü
ävhpwTcou. xcd aÜTop xa-üpToa ev tco oüpavw ex Se^iwv T7)<; ya.\t]c, Suvageox; xod
[liXhei Ep^scrboa tcöv vstpsXwv toü oüpavoü. Es ist die alte Menschensohn-
Dogmatik der Urgemeinde, die in der Apostelgeschichte nur noch, wie
Bousset richtig hervorhebt, in dem Bekenntnis des Stephanos (7,56)
hervortritt, welches der Verfasser aus begreiflichen Gründen nicht ändern
wollte. Auch hier folgt dem Bekenntnis zu dem „Menschensohn“ das Volks-
gericht.
 
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