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Deubner, Ludwig; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 17. Abhandlung): Bemerkungen zu einigen literarischen Papyri aus Oxyrhynchos — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37694#0012
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12

Ludwig Deubver:

gekürzter zweiter Silbe aufgefaßt. Aber όλος άρ’ άνεμος επείγεται
gibt in dem vorliegenden Zusammenhang keinen Sinn. So-
wohl V. 6f. wie V. 9f. zeigen deutlich, daß Windstille be-
zweckt ist; es kann also V. 8 nicht so aufgefaßt werden, als
wenn der Zauberspruch bereits die Wirkung gehabt hätte,
daß nunmehr ein günstiger Wind bläst1. Schmidt a. a. 0.
postuliert statt επείγεται eine Verbalform, die eine Auf-
forderung ausdrückt und vermutet, daß der 'voluntative
Konjunktiv’ έπιγελα einzusetzen sei. Belege für das 'Lachen’ des
Windes sind zwar nicht vorhanden, wohl aber solche für das
Lachen der stillen Meerflut und 'was vom windstillen Meere
ausgesagt werden kann, muß auch vom ruhigen Winde gelten
dürfen’. Schmidts Konjektur hat den Beifall Draheims ge-
funden (a. a. 0.). Allein der 'lachende’ Wind ist ein Unding.
Der lächelnde See ist eine optische Metapher, den Wind aber kann
man nicht sehen. Und vor allem ist es methodisch nicht zulässig
in έπείγεται den wunden Punkt des Verses zu erblicken, da gerade
dieses Verbum vom Winde gebraucht wird. Vgl. (außer Anm. 1)
das Gleichnis II. XV 381 ff. ο'ί δ’, ώς τε μέγα κΰμα θαλάσσης εύρυ-
πόροιο | νηός υπέρ τοίχων καταβήσεται, όππότ’ έπείγη | ις άνέμου · ή γάρ
τε μάλιστά γε κύματ’ όφέλλει · ως Τρώες μεγάλη ιαχή κατά τείχος
έβαινον κτλ. und für die mediale Form II. \T 500f. 6τε τε ξανθή
Δημήτηρ I κρίνη έπειγομένων άνέμων καρπόν τε καί άχνας. Daß in
dem Zauberspruch von dem Andrang eines günstigen Windes
nicht die Rede sein könne, wurde oben bemerkt. Es kann sich
also in V. 8 nur um bedrohlichen Sturm handeln: für diese
Auffassung von έπείγεσθαι bietet die erste der beiden angeführten
Iliasstellen eine gute Parallele. Dann ist άρ’ natürlich unmöglich.
Statt seiner ist γάρ zu schreiben2: die Not des Sturmes dient zur
Begründung des Beschwörungsgebetes und soll dessen Wirkung
verstärken ; erst so gewinnt, wie ich glaube, auch όλος den richtigen
Ton. Wenn wir die gekürzte Form έπίγεται mit Grenfell-
Hunt beibehielten, ergäbe sich demnach für V. 8 das metrische
Schema uIuL j Indessen solange keine weiteren
Belege für eine derartige Kürzung vorhegen, erscheint ihre Zu-
lassung bedenklich. Ich möchte daher έπείγεται schreiben und
1 Vgl. Odyss. XII 167 επειγε γάρ ουρος άπήμων.
2 Die Bedeutung von άρα kann zuweilen nahe an die von γάρ her-
ankommen, vgl. Kühner-Gerth II 321 unter b ß. Aber der Fall liegt an
den hier aufgeführten Stellen ganz anders als an der oben behandelten.
 
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