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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0015
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Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft. 15
Bewegung, 6. die beim Zusammenstoß mit bewegten Körpern zur
Zusammenschmelzung der Massen führende, als Wachstum wahr-
genommene, 7. die unter ähnlichen Umständen als Vernichtung
bisherigen Bestandes wahrgenommene Bewegung, 8. das der Ver-
nichtung oder dem Vergehen entgegengesetzte Entstehen.
Im Anschluß daran wird die Frage nach dem ersten Ursprung
der Bewegungen aufgeworfen. Und nachdem klar gemacht ist,
daß wir beim Zurückgehen von einem durch äußeren Anstoß
bewegten Körper auf den stoßenden einen endlosen Weg beschrei-
ten, wird die Antwort gefunden durch Beschreibung der Seele
als des Prinzips der Selbstbewegung, womit wir über die Physik
hinausgeführt werden. Denn diese befaßt sich nur mit Unter-
suchung der Fortpflanzung schon eingeleiteter Bewegungen, für
die eben jene acht Arten aufgefunden worden sind.
Die erste Hauptunterscheidung, die in den Nomoi getroffen
worden ist, zwischen Achsendrehung und Vorwärtsbewegung,
macht ebenso auch der Timaios. Beide Arten, sagt er, seien den
Gestirnen verliehen, während ihnen „die fünf anderen Bewegungen“
fehlen1. Die dort gemeinten fünf anderen Bewegungen sind aber
nicht etwa die in den Nomoi weiter unterschiedenen, sondern es
sind die denkbaren Abweichungen von einer regelmäßigen Fort-
schrittslinie durch Bückgang, Ausweichen nach oben und unten
und auch rechts und links, wie aus einer nachfolgenden Ausführung
des Timaios (über die Bewegungsmöglichkeiten der Tiere und
Menschen) erhellt2. Logisch richtiger ist es gewiß, als Haupt-
unterscheidung die zwischen Lageänderung (φορά) und Eigen-
schaftsänderung (άλλοίωσις) zu treffen. So verfahren der Theaitetos
und der Parmenides. In jenem Dialog lesen wir3:
„Sage mir, nennst du es Bewegung, wenn etwas seinen Ort
wechselt oder auch sich auf derselben Stelle im Kreise herumdreht ?
— Gewiß. — Dies wäre also die eine Art. Wenn aber etwas auf
der nämlichen Stelle bleibt, dabei aber altert oder schwarz aus weiß
wird oder rauh aus weich oder sonst eine Änderung erfährt, soll
man das nicht füglich eine zweite Art der Bewegung nennen ?
— Ich denke wohl. — Notwendigerweise. Ich setze also diese
zwei Arten der Bewegung, Veränderung und Ortsbewegung.
- Richtig. — “ Und, wie darauf Bezug nehmend, sagt der Par-
menides4 kurz: „Was sich bewegt muß entweder Orts- oder Eigen-

1 Tim. 40b.
2 Tim. 34a ist entsprechend die Rede von „den 7 Bewegungsarten.“
3 Theait. 181. 4 Parm. 138b.
 
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