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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0017
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Platons Stellung· zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.

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Der Ausgleich verursacht keine Schwierigkeit. Und wir er-
reichen durch ihn, unter Verbindung der Angaben des Theaitetos
und Parmenides mit der Darstellung der Nomoi, auch wohl das
Verständnis für die bisher übergangenen befremdlich klingenden
Sätze der Nomoi über das Entstehen oder Werden. Absolut ent-
stehen oder verschwinden kann ja, wie wir der schon angeführten
Schilderung des Kosmos entnehmen, überhaupt nichts. Die Mei-
nung Platons ist in diesem Stück genau dieselbe, die Anaxagoras
zur Abwehr der eleatischen Angriffe auf den Vielheitsbegriff und
den Gedanken der Veränderung ausspricht (s. f. 19 Diels). Nur
für unsere Wahrnehmung (oder die Wahrnehmung anderer Sub-
jekte) kann etwas verloren gehen oder neu bemerklich werden.
Halten wir dies fest und treten wir so an die Sätze heran, die den
oben ausgezogenen in den Nomoi nachfolgen. „Wann1 aber und
unter welchen Umständen“ wird gefragt, „kommt es zur Ent-
stehung jeglicher Dinge ? — Offenbar dann,“ lautet die Antwort,
„wann eine άρχή2 — ich muß das Wort zunächst unübersetzt
lassen und zwei weitere Wörter vorläufig überspringen — in die
zweite Stufe und von dieser in die nächste übergegangen ist und
mit diesem dritten Schritt für wahrnehmende Subjekte die Wahr-
nehmungsmöglichkeit bietet. Durch solche Veränderung und Be-
wegung nun entsteht jegliches. Es ist aber etwas wahrhaft wirklich
(wahrhaft seiend), solang es (in seinem Bestände) beharrt, und
damit, daß es in eine andere Verfassung übergeht, ist es voll-
ständig zugrunde gegangen.“
Die Erklärer, z. B. Susemihl und Zeller, bieten uns hier ganz
Absonderliches. Sie berufen sich auf gewisse dunkle Angaben des
Aristoteles über Lehrvorträge des hochbetagten Platon, von denen
ich überzeugt bin, daß man sie so lang ganz beiseite lassen müsse,
als die platonischen Schriften noch nicht aus sich selbst weit sorg-
fältiger als bis jetzt erklärt und unter sich auf ihren Lehrgehalt
1 894a γίγνεται δή πάντων γένεσις, ήνίκ’άν τί πάθος ή · δήλον ώς όπόταν
άρχή λαβοΰσα αυξην εις τήν δευτέραν ελθη μετάβασιν καί άπό ταύτης εις την πλησίον,
καί μέχρι, τριών έλθοΰσα αΐσθησιν σχή τοΐς αίσθανομένοις. μεταβάλλον μέν αν ουτοο
καί μετακινούμενου γίγνεται παν · εστι δέ όντως δν, όπόταν μένη · μεταβαλόν δέ εις
άλλην εξιν διέφθαρται παντελώς. Zum ganzen Zusammenhang und den Ein-
zelheiten vgl. meine Inhaltsdarstellung der Gesetze S. 95—100 und meinen
Kommentar S. 295—302.
2 άρχή heißt Anfang, kann aber auch Anfangszustand, Urbestand,
Urprinzip bedeuten. Die ausgelassenen Wörter sind λαβοΰσα αυξην. Vgl. die
vorhergehende Anmerkung und S. 21 Anm. 2.

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 19. Abh.

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