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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0028
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Constantin Ritter:

einander verwandt und scheinen dadurch der Forderung zu ent-
sprechen, daß sie durch Umgestaltung gegenseitig in einander
übergeführt werden können. Es fragt sich nun, welcher Grund-
form des beobachteten stofflichen Bestandes ein jeder dieser drei
gleichzusetzen sei. Doch diese Frage beantwortet sich leicht da-
hin, daß das durch die spitzigsten Ecken und Flächenwinkel aus-
gezeichnete Gebilde das Wesen des beweglichsten Elements, des
Feuers, ausmache; das ihm am meisten ähnliche das der Luft,
womit dann weiter auch die Gleichsetzung des dritten mit dem
Wasser als selbstverständlich gegeben ist. Für die Erde bleibt
dann die Form eines der beiden durch andere Flächen begrenzten
regulären Körpers übrig. Platon entscheidet sich nach Wahrschein-
lichkeit für den Würfel, und um dem fünften dieser Körper, dem
Dodekaeder, doch auch einige Bedeutung für die Physik zu sichern,
erklärt er, seine Form sei von dem Weltbildner für die Verteilung
des Sternenschmucks am Himmel benutzt worden. Die mathe-
matischen Verhältnisse aber, die nur drei der regelmäßigen Raum-
gebilde so nahe verwandt zeigen, daß die wechselseitige Umwand-
lung der mit ihnen gleichgesetzten Hauptarten der Materie daraus
begreiflich erscheint, bestimmen Platon zu dem Schlüsse, daß der
Augenschein trüge, nach dem auch das vierte Gebilde an dem Ver-
wandlungsprozeß teilnähme. Bei diesem, bei der Erde, erklärt
er, handle es sich, wo ihre Form zu zergehen scheint, nur um so
starke Zertrümmerungen, daß die durch eine Übermenge wässe-
riger luft- oder feuerartiger Körperchen getrennten Teile für
unsere Sinne nicht mehr wahrnehmbar seien, bis sie sich wieder
mit gleichartigen zusammenfinden und so aus Wasser, Luft oder
Feuer, worin sie in unsichtbaren Lösungen oder Zerstäubungen
vorhanden waren, sich durch Umformung neu zu bilden scheinen.
Es sind also für Platon die vier Elemente eigentlich auf zwei
zurückführbar, deren eines drei Gestaltungen annimmt. Und wir
haben gesehen, daß auch diese zwei trotz des spröden Verhaltens,
das sie unter den bestehenden Verhältnissen in der Welt gegen
einander zeigen, durch das höhere Einheitsband desselben Gesetzes
der Stofflichkeit zusammengehalten werden. Anderseits verviel-
fältigt sich die Zahl der Bausteine konkreter stofflicher Gebilde
dadurch, daß von jeder der vier Grundgestalten verschiedene
Größen angenommen werden, und daß auch den Größen ähnlich
wie den Gestaltsunterschieden bestimmende Bedeutung für die
Bewegungsweise zugeschrieben wird.
 
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