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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0039
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Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.

39

Timaios dieser Gleichsetzung. Er läßt die Zeit bei Gestaltung
der Welt von Gott geschaffen werden und zwar dadurch, daß
dieser Sonne, Mond und die übrigen Wandelsterne an den Himmel
versetzt und ihnen ihre je besonders bestimmten Umläufe gibt.
Eigentlich, heißt es1, hätte er seiner Welt gern Ewigkeit verliehen.
,,Doch war es nicht möglich, diese einem Erschaffenen vollständig
zu verschaffen. So kam er denn auf den Gedanken, ein bewegtes
Bild ewiger Dauer zu machen, und machte zugleich mit der Aus-
schmückung des Himmels von der in Einheit beharrenden Ewig-
keit ein nach Zahlen fortschreitendes ewiges Abbild2, nämlich
eben was wir ,Zeit£ nennen. Denn Tag und Nacht und Monat
und Jahr, die es nicht gab vor Entstehung des Himmels, ließ er
damals zugleich mit dessen Einrichtung entstehen: sie alle aber
sind Bestandteile der Zeit, wie auch das ,war' und ,wird sein' als
Gattungen der Zeit entstanden sind, die wir nur fälschlich, ohne
unseren Fehler zu merken, an ewige Wesenheiten heranbringen.
Denn wir sagen von solchen aus, daß sie waren, sind und sein
werden, während für sie streng gesprochen allein das ,ist' zutrifft,
das ,war' und ,wird sein' dagegen nur auf die in der Zeit fort-
schreitenden Entwicklungen passende Anwendung findet: denn
beide sind Bewegungen, hingegen was unbewegt immer in der-
selben Weise sich verhält, dem kommt es nicht zu im Zeitverlauf
älter und jünger zu werden, noch je früher oder jetzt geworden
zu sein, noch später einst werden zu sollen, und überhaupt nichts
von dem kommt ihm zu, was das Werden für die in der sinnlich
wahrnehmbaren Welt sich bewegenden Dinge mit sich bringt,
vielmehr sind all das erst entstandene Gattungen der die Ewigkeit
nachahmenden und nach Zahlbestimmtheit abrollenden Zeit;
dasselbe gilt auch noch von Angaben der Art wie: was entstanden
ist sei entstehend, was entstehen wird sei entstehen werdend,
und was nicht ist, sei nicht seiend: denn all das ist ungenau aus-
gedrückt/'
Für uns ist befremdlich, daß nach diesen und den weiter sich
anschließenden Ausführungen nicht bloß die Zeitunterscheidung
erst durch den Unterschied in den Umläufen der verschiedenen Ge-
stirne möglich sein soll, sondern auch das Einheiten unterscheidende
Zählen, außerdem aber sogar der objektive Verlauf der
1 Tim. Kap. 10, 37 d ff.
2 ττοιεΐ μένοντος αίώνος έν ένί κατ’ άριθ-μόν ιοΰσαν αιώνιον εικόνα.
 
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