Platons Stellung zu den. Aufgaben der Naturwissenschaft.
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Mond und nach dem Timaios wohl auch die fern draußen ihre
Bahnen durcheilenden Wandelsterne allzumal ihr Licht ver-
danken, von ihm als würdig erachtet worden sei, die Mitte der
vom göttlichen Geist geordneten Welt einzunehmen. Zwei neuere
Geschichtsschreiber der Astronomie haben auch wirklich kein
Bedenken getragen, Platon für den kühnen ersten Begründer eines
heliozentrischen Systems zu erklären und, indem sie zugleich die
von Aristoteles als platonisch bezeugte Lehre von der Rotation
der Erde für ihn in Anspruch nahmen, ihn geradezu als den Koperni-
kus des Altertums hinzustellen, Gruppe und Wolf1. Ich glaube,
sie sind zu weit gegangen2. Aber das ist auch meine Überzeugung,
daß Platon den Gedanken, ob nicht die Sonne das Zentralgestirn
sei, um das die Erde gleich den anderen Planeten kreise, neben
jenem anderen, ob etwa die Erde durch Achsendrehung den Schein
einer Bewegung der sie umgebenden Himmelssphären hervor-
bringe, in allem Ernste erwogen, und daß er mit geometrischen
Konstruktionen und Rechnungen versucht habe, ob nicht auf
diese Weise die scheinbar unregelmäßigen Bewegungen himm-
1 Gruppe, Die kosmischen Systeme der Griechen, 1851. R. Wolf,
Geschichte der Astronomie, 1877.
2 Gleich Böckh macht auch Schiaparelli darauf aufmerksam, daß was
Nom. 822 a, b über das dem Augenschein entgegengesetzte Verhältnis der
Schnelligkeit der verschiedenen Gestirne gesagt ist, nicht in ein heliozentrisches
System passen will; namentlich aber ist ein solches ausgeschlossen durch
die Angabe, die Sonne beschreibe immer einen einfachen Kreislauf. Anderseits
schließt der Versuch, die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt zu entfernen,
die Vorstellung von der Umkreisung eines an jenem bevorzugten Platz befind-
lichen anderen Körpers durch sie unmittelbar in sich. Er wird, denke ich,
durch nichts anderes hervorgerufen sein, als durch die Wahrnehmung, daß die
vom ersten Augenschein aufgedrungene Annahme, der Himmel mit seinen
Sternen kreise um die unbewegt feststehende Erde und innerhalb der Fix-
sternsphäre gehen .die Wandelsterne noch ihre besondere Bahn, den scharfen
Beobachter der wechselnden Stellungen dieser Wandelsterne nötigte, ihnen
verwickelte, unregelmäßige Sonderbewegungen zuzuschreiben, an deren Tat-
sächlichkeit Platon nicht glauben wollte. Bekannt müssen ihm die Verschlin-
gungen der Planetenbahnen doch wohl geworden sein. Wenigstens wenn sie
Eudoxos kannte, wie ich aus Wolfs Bemerkungen (S. 40) glaube schließen zu
dürfen, ist das bei dem regen Verkehr der beiden Männer, der bis zum Tode
des Eudoxos andauerte, sicher anzunehmen. Auch ist darauf hinzuweisen,
daß Platon zufolge der im Timaios (40a) vorgetragenen Anschauung, wonach
sämtlichen Gestirnen die Achsendrehung zukäme, sogleich mit der Entfer-
nung der Erde aus dem Weltmittelpunkt auch den Gedanken an eine doppelte
Bewegung derselben erwägen mußte (vgl. Böckh, Über das kosmische
System des Platon, S. 59),
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Mond und nach dem Timaios wohl auch die fern draußen ihre
Bahnen durcheilenden Wandelsterne allzumal ihr Licht ver-
danken, von ihm als würdig erachtet worden sei, die Mitte der
vom göttlichen Geist geordneten Welt einzunehmen. Zwei neuere
Geschichtsschreiber der Astronomie haben auch wirklich kein
Bedenken getragen, Platon für den kühnen ersten Begründer eines
heliozentrischen Systems zu erklären und, indem sie zugleich die
von Aristoteles als platonisch bezeugte Lehre von der Rotation
der Erde für ihn in Anspruch nahmen, ihn geradezu als den Koperni-
kus des Altertums hinzustellen, Gruppe und Wolf1. Ich glaube,
sie sind zu weit gegangen2. Aber das ist auch meine Überzeugung,
daß Platon den Gedanken, ob nicht die Sonne das Zentralgestirn
sei, um das die Erde gleich den anderen Planeten kreise, neben
jenem anderen, ob etwa die Erde durch Achsendrehung den Schein
einer Bewegung der sie umgebenden Himmelssphären hervor-
bringe, in allem Ernste erwogen, und daß er mit geometrischen
Konstruktionen und Rechnungen versucht habe, ob nicht auf
diese Weise die scheinbar unregelmäßigen Bewegungen himm-
1 Gruppe, Die kosmischen Systeme der Griechen, 1851. R. Wolf,
Geschichte der Astronomie, 1877.
2 Gleich Böckh macht auch Schiaparelli darauf aufmerksam, daß was
Nom. 822 a, b über das dem Augenschein entgegengesetzte Verhältnis der
Schnelligkeit der verschiedenen Gestirne gesagt ist, nicht in ein heliozentrisches
System passen will; namentlich aber ist ein solches ausgeschlossen durch
die Angabe, die Sonne beschreibe immer einen einfachen Kreislauf. Anderseits
schließt der Versuch, die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt zu entfernen,
die Vorstellung von der Umkreisung eines an jenem bevorzugten Platz befind-
lichen anderen Körpers durch sie unmittelbar in sich. Er wird, denke ich,
durch nichts anderes hervorgerufen sein, als durch die Wahrnehmung, daß die
vom ersten Augenschein aufgedrungene Annahme, der Himmel mit seinen
Sternen kreise um die unbewegt feststehende Erde und innerhalb der Fix-
sternsphäre gehen .die Wandelsterne noch ihre besondere Bahn, den scharfen
Beobachter der wechselnden Stellungen dieser Wandelsterne nötigte, ihnen
verwickelte, unregelmäßige Sonderbewegungen zuzuschreiben, an deren Tat-
sächlichkeit Platon nicht glauben wollte. Bekannt müssen ihm die Verschlin-
gungen der Planetenbahnen doch wohl geworden sein. Wenigstens wenn sie
Eudoxos kannte, wie ich aus Wolfs Bemerkungen (S. 40) glaube schließen zu
dürfen, ist das bei dem regen Verkehr der beiden Männer, der bis zum Tode
des Eudoxos andauerte, sicher anzunehmen. Auch ist darauf hinzuweisen,
daß Platon zufolge der im Timaios (40a) vorgetragenen Anschauung, wonach
sämtlichen Gestirnen die Achsendrehung zukäme, sogleich mit der Entfer-
nung der Erde aus dem Weltmittelpunkt auch den Gedanken an eine doppelte
Bewegung derselben erwägen mußte (vgl. Böckh, Über das kosmische
System des Platon, S. 59),