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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0066
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66

Constantin Ritter:

In den Nomoi finden wir den Gedanken weitgehender An-
passung der lebenden Wesen an die Verhältnisse der sie
umgebenden Natur: selbst vielfache Umgestaltungen ihrer Form
mögen durch klimatische Einflüsse bewirkt worden sein1.
Daß der Mensch am Tier sich in mancher Hinsicht ein
gutes Vorbild nehmen könne, und daß was bei der Behandlung
von Tieren sich erprobt hat mit Nutzen auch auf die Behandlung von
Menschen angewandt werden dürfte, dieser Überzeugung gibt
Platon an verschiedenen Stellen Ausdruck: der Schwan, der
seinen Tod mit Gesang begrüßt, kann uns lehren, daß wir die
Trennung der Seele vom Leib nicht zu beklagen haben2; die paar-
weise zusammenlebenden Tiere beweisen, daß die Zumutung ehe-
licher Treue für den Menschen keine zu strenge Forderung ist3;
die ihre Brut verteidigenden Vögel geben den Müttern ein Vor-
bild4; die Eigenschaften des guten Hirtenhundes verdienen Beach-
tung für die Auswahl tüchtiger Wächter und Beschützer des
Staats5; die Erfahrungen der Tierzüchter sollen sich die Leiter
des Staats vor Augen halten, nicht nur um für gute Pflege der
heranwachsenden Jugend zu sorgen6, sondern namentlich auch,
um Maßnahmen zu treffen zur Vereinigung der am besten zu-
sammenpassenden Hochzeitspaare und so eine Veredlung des
Stammes der Bürgerschaft zu bewirken7.
Aus der im Timaios gegebenen Schilderung des mensch-
lichen Körperbaues und den Zweckbetrachtungen, die daran
angeknüpft werden, stelle ich folgendes zusammen: Der Kopf als
Beherberger des Göttlichen im Menschen, der Vernunft, ist nach
dem Bilde des Weltalls rund geformt und ragt gleich einer beherr-
schenden Burg empor über den Bumpf, von dem er durch den
schmalen Gang des Halses getrennt ist, damit jener samt seinen
Gliedern ihm zwar zur Hilfe dienen, jedoch durch Erregungen,
die in ihm ihren Ursprung haben, möglichst wenig störenden Ein-
1 Nom. 782 a οΐόμεθα γεγανέναι . . . στροφάς ωρών πανποίας, εν αΐς πά ζώα
μεταβάλλειν αύτών παμπληθείς μεταβολάς είκός. —- Über Abhängigkeit des
Menschen vom Klima und Boden des Landes vgl. Tim. 22 de, 24 cd, Ivrits.
109c, Nom. 705 ab (Menex. 237b ff.).
2 Phaid. 84 ef.
3 Nom. 840 d e.
4 Nom. 814 b.
5 Pol. 375 a.
6 Nom. 789c.
7 Pol. 459a f.
 
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