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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0072
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Constantin Ritter:

werden. Und dieses Gleichgewicht ist für beide äußerst wichtig.
Denn beide erfahren von einander kräftige Einwirkungen, je nach
Umständen wohltätige oder schädigende. Namentlich werden auch
Krankheiten der Seele durch schlechte Beschaffenheit des Körpers
hervorgerufen. Alle möglichen Formen von Mißstimmung und
übler Laune, alle Grade von Frechheit und Feigheit, ebenso von
Geistesträgheit, Vergeßlichkeit und Stumpfsinn, sowie völlige Ver-
rücktheit können körperlich bedingt sein1.
Uber die Sinneswahrnehmung erhalten wir folgende Be-
lehrungen: Ihr Zustandekommen hat zur Voraussetzung, daß der
zunächst von einem Anstoß betroffene Teil des Körpers die Bewe-
gung, in die er versetzt wurde, auf benachbarte andere Teile über-
trägt und diese sie wieder stets in der gleichen Weise weiter fort-
pflanzen, bis sie an den Sitz des Bewußtseins (επί το φρόνιμον)
gelangt und dorthin Meldung bringt von der Beschaffenheit des
äußeren Reizes (του ποιοΰντος τήν δύναμιν). Nicht alle Teile des
Körpers eignen sich zu solcher Fortleitung des Eindrucks, sondern
nur die, welche viele bewegliche Bestandteile feuriger und luft-
förmiger Art in sich enthalten, wie namentlich der Gesichts- und
Gehörapparat; während die vorwiegend erdigen Bestands sind,
wie Knochen und Haare, eine Erschütterung nicht weiter leiten.
Die meisten Empfindungen scheinen von Zusammendrängung und
Zerteilung der den Reiz aufnehmenden Teile unseres Körpers
durch bewegte Teile des erregenden Gegenstandes herzurühren.
Die Hitze des Feuers, die wir wie das Eindringen eines scharfen
Gegenstandes in unsere Haut empfinden, findet in der Beschaffen-
heit der kleinsten (unsichtbaren) Feuerteilchen, die man sich in
rascher Bewegung vorstellen muß, ihre genügende Erklärung; die
Kälteempfindung mit dem Zittern und Schaudern, das sie begleitet,
ist auf die Einwirkung wässeriger Gebilde zurückzuführen, die auf
die in unserem Körper schon enthaltene Feuchtigkeit drücken und
deren Gegendruck hervorrufen; weich oder hart nennen wir die
Gegenstände je nach ihrem Verhältnis zu unserem Fleisch, dem
sie bei der Berührung nachgeben oder nicht nachgeben: und der
Grund dafür liegt darin, daß ihre kleinsten Teilchen teils auf brei-
terer teils auf weniger breiter Grundfläche ruhen als die unseres
Fleisches. Die Eigenschaft der Rauheit eines Gegenstands erklärt
sich als Härte und Ungleichförmigkeit seiner Bestandteile, Glätte
1 Über Näheres vgl, meine Inhaltsdarstellung S. 140 ff.
 
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