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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0089
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Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.

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daß die Delier, denen der Gott in einer schweren Seuche das
Orakel gegeben habe, sie sollen die Größe seines Altars, mit Bei-
behaltung der Würfelform, verdoppeln, sich in der Verlegenheit
an Platon wandten, damit er ihnen die Aufgabe lösen helfe. Und
dann ersehen wir daraus immerhin so viel, wie anerkannt sein
Ruf in diesen Dingen war. Von Menaichmos und Eudoxos, die
beide der Akademie zugehören, sind uns in der Tat Lösungsver-
suche überliefert, ebenso von dem mit Platon eng befreundeten
Pythagoreer Archytas von Tarent. Auch wird uns eine kritische
Bemerkung Platons über diese Versuche mitgeteilt, die aufs beste
zu seiner Auffassung der Mathematik paßt. Nämlich Plutarchos
erzählt uns1, Platon habe den Eudoxos, Archytas und Menaichmos
getadelt, weil sie die Verdopplung des Körperraumes durch instru-
mentale und mechanische Verfahrungsweisen ausführten . . . Auf
solche Art werde der Vorzug der Geometrie aufgehoben und ver-
dorben, indem man sie wieder auf den sinnlichen Standpunkt
zurückführe. An anderer Stelle2 gibt derselbe Gewährsmann
Plutarchos an, Platon habe die Delier auf Eudoxos von Knidos
und Helikon von Kyzikos verwiesen, indem er beifügte, man
bedürfe, um die Aufgabe zu lösen, der Auffindung zweier geome-
trischer Mittel — übrigens sei der Gottheit gewiß nicht gerade
an der Lösung dieser besonderen Aufgabe gelegen: sie habe nur
ihre Mißbilligung über die Vernachlässigung und den Tiefstand
der Geometrie3 im allgemeinen bezeugen wollen. Der Versuch
einer Lösung des ,,delischen Problems“, der Platon selber zu-
geschrieben wird, ist der Art, daß ihn derselbe Vorwurf treffen
müßte, den er jenen drei anderen Mathematikern gemacht haben
soll. Man dürfte sich das vielleicht so erklären, daß Platon der
Bemängelung der anderen Vorschläge beigefügt habe, ein für die
Praxis etwa genügendes mechanisches Verfahren für die Würfel-
verdopplung wüßte auch er selber anzugeben. Der Wert der
Zeugnisse, die wir über die ganze Sache besitzen, ist neuerdings
namentlich deshalb in Zweifel gezogen worden, weil sie vielleicht
alle aus einem Dialog des Eratosthenes stammen und man nicht
wissen kann, wie weit dieser das für diese Literaturgattung durch
Platon begründete Recht der freien Erfindung ausgenützt hat. —
1 Plut. quaest. conv. VIII, 2, 1, p. 718E, F und Marcell. 14.
2 Plut. de genio Socr. c 7, p. 579B und de Ei ap. Delphos c. 6, p. 38feE.
3 Das Wort bezeichnet auch bei Platon selber gelegentlich die gesamte
Mathematik.
 
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