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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0095
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Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.

95

wir über die Raumgrößen.“1 Diese Erzählung stimmt trefflich
überein mit dem was wir aus anderen Angaben über die wissen-
schaftlichen Leistungen des Theaitetos erfahren: der hergehörige
Satz aus dem Mathematikerverzeichnis bei Proklos ist oben mit-
geteilt; etwas ausführlicher äußern sich in demselben Sinn mehrere
Scholiasten zu Eukleides, von denen sich der eine dabei auf ,,den
Peripatetiker Eudemos“ beruft. Ein Scholion behauptet auch,
er habe die Kenntnis der Körperlehre damit erweitert, daß er zu
den vorher allein bekannten drei regelmäßigen Gebilden des
Würfels, der Pyramide und des Dodekaeders das Okta- und
Ikosaeder entdeckt habe, wofür die Angabe des Suidas, er habe
zuerst über die sogenannten fünf platonischen Körper geschrieben,
als Bestätigung verwertet werden darf. Aus der feinen und an-
sprechenden Zeichnung, die Platon dem frischen und liebens-
würdigen Jüngling zuteil werden läßt, sieht man, daß er in besonders
herzlichem Verhältnis zu ihm gestanden sein muß. Die neuerdings
aufgestellte Vermutung hat manches für sich, er gehöre auch als
Mathematiker zu den Schülern Platons; wenn Theodoros von
Kyrene als sein Lehrer hingestellt werde, so habe das den Sinn,
auszudrücken, daß Platon selber in der Hauptsache jenem ver-
danke, was er seinen Schülern an mathematischem Wissen zu über-
liefern wußte. Sollte das richtig sein, so hätten wir dann nicht
bloß einen neuen Beweis für Platons Bescheidenheit und dankbare
Gesinnung, sondern wir dürften doch wohl auch annehmen, daß er,
nach dem im Dialoge selber gebrauchten Bilde, bei den Geistes-
geburten des ihm eng befreundeten Schülers Helferdienste ge-
leistet habe2.
1 Bei der Übersetzung habe ich mich an Vogt angeschlossen, a. a. O.
S. 99 f.
2 Gelegentlich sei bemerkt, daß die sorgfältige Untersuchung des
mathematischen Gehalts, den der Theaitetos in sich birgt, für den Streit über
seine Abfassungszeit erhebliche Bedeutung gewonnen hat. Ganz über-
zeugend ist ausgeführt worden, es sei rein unmöglich, daß der durch so deut-
lich knabenhafte Züge gekennzeichnete Mathematikschüler des Jahres 399,
wohin das Gespräch verlegt ist, so rasch zur Meisterschaft herangereift wäre,
daß er die Leistungen, durch die sein Name berühmt geworden ist, im Zeit-
raum der folgenden fünf Jahre hätte vollbringen (und etwa gar noch, wie
Suidas angibt, in Herakleia am Pontos eine beachtenswerte Lehrtätigkeit
hätte entfalten) können, ehe ihn der Tod, wie Zeller und seine Nachtreter
wollen, im Jahr 394 hinweggerafft hätte. Wer aber annehmen wollte, die
Verwundung und Seuche, von der wir ihn übel mitgenommen sehen, seien
nicht tötlich gewesen und so möge er hernach noch lange gelebt haben, der
 
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