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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0027
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Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländ. Basilikengrundrisses. 27
denen Kirchenanlage sehen, deren Reste uns oben vorzugsweise
beschäftigt haben. Als Zeit der Entstehung käme etwa das 5. Jahr-
hundert in Betracht, wenn wir bei dem Mangel an Vergleichsmaterial
und einwandfreien historischen Nachrichten hinsichtlich genauerer
Datierung vorläufig noch eine durchaus angebrachte Vorsicht
walten lassen wollen. Zu der genannten zeitlichen Ansetzung
würde auch das Grundrißschema des ältesten Baues, wie es uns
die Grabungen kennen lehrten, am besten passen, während für
die Zeit Brunichildens doch wohl schon fortgeschrittenere Grund-
rißformen im Sinne größerer Geschlossenheit des Planschemas zu
vermuten wären. Nehmen wir die Deutung der ältesten Kirchen-
fundamente als Überreste der dem hl. Christoph geweihten Fried-
hofskirche, und damit auch die Datierung auf rund das 5. Jahr-
hundert an, so treten zudem die schon oben festgestellten Be-
ziehungen zu der in Teurnia im südlichen Norikum freigelegten
Anlage ins rechte Licht. Auch die Entstehung des dortigen Baues
wird ins 5. Jahrhundert gesetzt1. Wichtiger fast ist, daß es sich
in Teurnia gleichfalls um eine außerhalb der römischen Stadt
gelegene Friedhofs- und Begräbniskirche handelt. Die Parallele
mit Laon ergibt sich somit selbst in der äußeren Bestimmung
beider Anlagen. Ob etwa mit diesem Charakter als Friedhofs-
kirchen die beiden Bauten gemeinsame Anbringung der östlichen
Kapellenräume in Zusammenhang zu bringen ist, wird vorderhand
noch dahingestellt bleiben müssen.
Über die Gründung der dem hl. Vincentius geweihten Abtei
durch Brunichilde fehlen uns, wie wir oben sahen, ausführlichere
und gleichzeitige Nachrichten. Vielleicht, daß sich die Königin
mit der Einsetzung von Mönchen und mit der Ausschmückung
oder Wiederherstellung der oberen Teile des von ihr Vorgefundenen,
nunmehr in eine Klosterkirche umgewandelten Gotteshauses be-
gnügte, während dessen Grundrißdispositionen unverändert blieben.
Höchstens könnte man in der an sich keine Datierungsmöglich-
keiten bietenden größeren Apside, durch die die ursprüngliche
Choranlage verdrängt und erweitert wurde, schon eine Veränderung
des ausgehenden 6. Jahrhunderts erblicken. Mit ebensoviel Be-
rechtigung dürfte diese freilich auch einem späteren Umbau, etwa
nach dem Normanneneinfall von 8922 oder gelegentlich der Wieder-
einsetzung regulärer Mönche um die Mitte des 10. Jahrhunderts3
1 Vgl. Egger, a. a. O., S. 47f. 2 Vgl. Wyard, a. a. O., S. 105f.
3 Vgl. Wyard, a. a. O., S. 114 ff.
 
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