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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0063
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Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländ. Basilikengrundrisses. 63
Fußboden des uns beschäftigenden Gotteshauses fanden1. Einen
gewissen Anhalt für die Datierung der aufgefundenen Kirche gibt
dieser Umstand, indem bewiesen wird, daß jene jedenfalls nicht
die älteste kirchliche Anlage gewesen sein kann, die sich an dieser
Stelle erhoben haben muß. Gleichzeitig mit dem hier interessieren-
den Kirchengrundriß dürfte dagegen die jüngereTaufpiscine sein, die
sich, wie oben erwähnt, im westlichen Teile des Baues fand, wo sie
auch unser Grundriß erkennen läßt. Der Estrichfußboden der
Kirche schloß rings um sie an. Die von Durville vorgeschlagene
Datierung dieser jüngeren Piscine auf 6. Jahrhundert entbehrt nicht
der Wahrscheinlichkeit, zumal wenn man das Fortleben römischer
Tradition in der Zusammensetzung des mit Ziegelmehl durchsetzten
rötlichen Mörtels in Betracht zieht, wie er sich an dem Ziegel-
mauerwerk der seitlichen Wände der Piscine und ebenso als Material
des Kirchenfußbodens fand2. Mehr als einen ziemlich weiten Spiel-
raum zur zeitlichen Ansetzung der freigelegten Kirchenfundamente
geben aber alle diese Anhaltspunkte nicht. Man wird fest-
halten dürfen, daß die durch die Grabung bekannt gewordene
Anlage jedenfalls nicht der erste christliche Kultbau an dieser
Stelle war. Andererseits lassen die Grundrißdispositionen und die
an den Resten der Kirche wie der größeren Taufpiscine beob-
achteten Eigentümlichkeiten kaum eine allzu späte Datierung zu.
Die größte Wahrscheinlichkeit dürfte wohl für eine Entstehung
des Baues in merowingischer oder allenfalls noch frühester karo-
lingischer Zeit sprechen.

IV. Zum Aufkommen des römischen Basilikengrundrisses
in den Ländern nördlich der Alpen.
Schon in meinen früheren Untersuchungen3 konnte ich darauf
hinweisen, daß im westlichen Deutschland etwa gegen 800 der
querhauslose Grundrißtypus einheimischer Überlieferung durch

1 Vgl. auch Durville, a. a. 0., S. 243 u. 256. Durville, der diese
Tatsache wiederholt feststellt, zieht doch nicht aus ihr die unabweisbaren
Konsequenzen für die Datierung des aufgefundenen Baues, dem er gern ein
recht ehrwürdiges Alter sichern möchte.
2 Ähnliche Mörtelzusammensetzung begegnete auch noch an Teilen
der von mir ausgegrabenen Pfalz zu Quierzy a. d. Oise.
3 Vgl. „Untersuchungen“, S. 137 f.
 
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