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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0040
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40

G. Weise:

Mabillon, zu dessen Zeit das Kloster sich nur noch in halb-
verfallenem Zustand fand, weiß doch noch von dortselbst
sichtbaren älteren Resten zu berichten. Vor allem erwähnt er
nördlich neben dem Chor der Kirche die Chapelle des Balances1,
in welcher der hl. Hubertus anfänglich begraben gewesen sein soll,
und in welcher zu Mabillons Zeit noch ein dem hl. Gamo2 geweihter
Altar stand. Den Namen trug nach Mabillon dieses Heiligtum da-
her, daß man dort nach uraltem Brauch die Besessenen, die zu
den Reliquien des Heiligen wallfahrteten, zu wiegen pflegte, um
sich während der Tage ihres Aufenthaltes der beginnenden Heilung
zu vergewissern. Die Lage des von uns gefundenen Raumes f
und sein Fortbestehen zu Seiten des frühgotischen Neubaues,
auch nachdem alle anderen Teile der älteren Anlage beseitigt
worden waren, würden zu Mabillons Angaben passen. Im Gegen-
satz zu neueren Franzosen, die jene Reste noch nicht kannten und
daher die Chapelle des Balances in der jetzigen nördlichen Chor-
kapelle vermuteten3, möchte ich in demRaumf jenes Heiligtum er-
blicken. War dieserRaum ursprünglich, sei es als Begräbnisstätte des
hl. Hubertus, sei es zu irgendwelchen anderen besonderen kulti-
schen Zwecken errichtet worden, so erklärt sich auch seine eigen-
tümliche Anordnung als in dem Winkel zwischen Haupt- und
Nebenchor eingeschobener Anbau.
Während der Raum f so seine Deutung gefunden hat, erklärt
sich g wohl nur als durch das Sichanlehnen äußerer Begrenzungs-
mauern an den apsidenartigen Abschluß von f entstandener toter
Zwickel. Schon unsere photographische Aufnahme (Abb. 9) läßt
erkennen, daß in dem gerundeten Fundamentzug die eigentliche
Fortsetzung der von Westen kommenden seitlichen Begrenzungs-
mauer von f zu erblicken ist, und daß die weitere Verlängerung
der Mauer, wenn sie auch mit jenen Teilen im Verband stand,
doch nur als eine Art Anfügung gelten kann. Wie es unser Plan
zeigt, endigte die seitliche Mauer von g im Osten in freiem Eck,
1 AA. SS. o. s. B. III, 1, S. 720 f.: Eo loci visuntur adhuc vestigia
aedium monasticarum, exstatque hactenus sacellum (ut vocant) bilancium,
in quo sepultus primo s. Hucbertus ubi etiam superest ara neglecta, sacrata
s. Gamoni, cuius effigies arae superimposita cernitur cum insignibus abbatis.
— In eo sacello bilancium, quod est ad partem septemtrionalem maioris
altaris b. Petro nuncupati, ponderatos quondam existimo eos etc.
2 Gamo war nach der Überlieferung der Vorsteher des Klosters zur
Zeit des hl. Hubertus. Vgl. Pecheur, a. a. O. I, S. 261.
3 So u. a. Pecheur, a. a. O. I, S. 270 Anm.
 
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