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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0057
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Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländ. Basilikengrundrisses. 57
beigibt1, ist völlig willkürlich gezeichnet und schafft künstlich ein
System von Gräben, die die fränkische Besiedelung charakterisie-
ren sollen. Ein fränkischer Königshof in Bretigny ist in den
Quellen nirgends nachweisbar.
Im östlichen Teile des Klostergeländes erhob sich die Kirche,
an die sich im Norden die Klausur anschloß. Letztere bildete einen
regelmäßigen Komplex rechteckiger Räume, die sich um einen auf
der einen Seite von der Kirche begrenzten inneren Hofraum grup-
pierten. Ein besonders frühes Stadium in der Entwicklung des
abendländischen Klosterschemas scheint mir hier vertreten. Auf
dem St. Galler Plan zeigt die beträchtliche Ausdehnung des inneren
Hofraumes schon ganz die Verhältnisse einer mittelalterlichen
Klausur; selbständige Gebäude umgeben den Hofraum auf allen
Seiten. Ähnlich müssen die Dinge auch in St. Wandrille nach den
Angaben der Gesta abbatum Fontanellensium über die unter
Abt Ansegis (822—833) errichtete Klausuranlage gelegen haben2.
Auch hier gruppierten sich selbständige Gebäude mit eigenem
Dach um den Binnenhof der Klausur3. Bretigny bietet demgegen-
über einen in gewissem Sinne altertümlicheren Typus: sämtliche
Räume der Klausur bilden ein einziges Gebäude; der innere Hof-
raum erscheint noch ganz im Rahmen einer geschlossenen Haus-
anlage. Zur Beantwortung der Frage nach der Herleitung des
abendländischen Klostertypus mit seinem im Geviert von den
Räumlichkeiten des engeren Klosterbezirks umgebenen Binnenhof
erhalten wir hier neues Material.
1 a. a. O., Taf. XIII.
2 Vgl. Gesta abbatum Fontanellensium rec. Loewenfeld, S. 54f. Aus-
drücklich werden die die einzelnen Seiten des Klausurbezirkes einnehmenden
Baulichkeiten (Refektorium, Dormitorium usw.) als besondere „domus“ oder
,,tecta“ bezeichnet.
3 Dagegen vermag ich keinerlei bestimmte Angaben der schon von
Schlosser (Die abendländische Klosteranlage des früheren Mittelalters,
S. llf.) und Hager (Zur Geschichte der abendländischen Klosteranlage,
Zeitschr. f. christl. Kunst, XIV, S. 97 ff.) zitierten Klosterbeschreibung
der Vita Filiberti abbatis Gemeticensis (SS. rer. Merov. V, S. 589f.)
zu entnehmen. Keineswegs erhalten wir hier ein deutliches Bild der
Klosteranlage; auch das Prinzip der klaustralen Gruppierung im Sinne
des späteren Mittelalters scheint mir nicht gesichert. Dem als besondere
„domus“ eingeführten Schlafraum der Mönche, der anscheinend im Erd-
geschoß auch Küche, Vorratsraum und Versammlungsraum der Mönche
erhielt, werden in den anderen Himmelsrichtungen zumeist nur kirchliche
Gebäude gegenübergestellt. Ihrer aller Lage zueinander ergibt sich keines-
wegs mit genügender Deutlichkeit.
 
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