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Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0010
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2 Einleitung.
Ingenia requiremus ? Extinctus est fons musarum. So schreibt Enea
Silvio unter dem ersten erschütternden Eindruck vom Falle Kon-
stantinopels1.
Über die Größe des Verlustes an Handschriften hat ein Augen-
zeuge der Eroberung, einer der wenigen, die dem Tode oder der
Gefangenschaft entrannen, eine Aussage gemacht, der Kardinal
Isidor von Rußland, Erzbischof von Kiew, zuvor Abt von Sankt
Demetrius in Konstantinopel. Im Mai 1452 war er von Nikolaus V.
nach Konstantinopel entsendet worden. Auf ihn war die Wahl
gefallen wegen der genauen Kenntnis, die er von den konstan-
tinopolitanischen Verhältnissen besaß, zudem war er beim Papst
um seiner humanistischen Neigungen willen besonders angesehen.
I sin or war Handschriftensammler, nach einem ihm gehörigen Exem-
plar hat Guarino auf Befehl des Papstes den Strabo übersetzt, ihm
hat Calixtus III. wenige Wochen nach dem Tode Nicolaus V.
51 Handschriften aus der päpstlichen Sammlung ad usum vitae
überlassen2. Ein kurzer Scheinerfolg rechtfertigte das Vertrauen,
das in Isidor gesetzt worden war, seiner Umsicht und Klugheit
gelang, was niemand zu hoffen gewagt hatte: am 12. Dezember
1452 konnte er in der Hagia Sophia die Union der griechischen
und lateinischen Kirche verkünden. Wenige Monate später war
Isidor ein Gefangener der Türken, aber zu seinem Glück wurde
er nicht erkannt3. Man glaubte ihn tot, sein verwundetes Gesicht
war durch einen Verband zum Teil verdeckt. Zwei oder drei Tage
brachte er so im türkischen Heere zu, wurde dann ausgelöst und
blieb acht Tage, von Haus zu Haus flüchtend, in Pera verborgen.
Drei Tage verlebte er dann noch auf türkischen Schiffen unter
dem Vorwand esse quemdam captivum liberatum, querentem redimere
suos filios in urbe Constantinopolitana captos. Durch einen Zufall
von ihn erkennenden Genuesen fast verraten, flüchtete er endlich
über Chios nach Kreta, wo er am 8. Juli eintraf. Aus allernächster
1 An Papst Nicolaus V., 12. Juli 1453; Aeneae Sylvii Piccolominei
Opera. Basel (1551), S. 712.
2 Eugene Müntz et Paul Fabre, La bibliotheque du Vatican au XVe
siede d’apres des documents inedits. Paris 1887 (Bibliotheque des ecoles
frangaises d’Athenes et de Rome. Fase. 48). S. 339f.; 346.
3 Isidors romantische Flucht ist beschrieben in einem Briefe eines seiner
Familiären an den Kardinal Capranica, aus Candia, 15. Juli 1453: N. Jorga,
Notes et extraits pour servir ä l’histoire des croisades au XVe siede. Sürie II.
Paris 1899, S. 519f., und mit Benutzung dieses Briefes von Henricus de
Zomern, September 1453, ebenda. Serie III. Paris 1902, S. 313f.
 
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