Alte und neue Märchen.
13
Nikolaus V. und seiner literarischen Verdienste weiß etwas
von seinen Bemühungen um diesen hebräischen Matthäus, der
Buchhändler Vespasiano nicht, noch Manetti, der für die hebrä-
ischen Studien doch besonders eingetreten, noch Platina, der
Präfekt der Vaticana und Biograph der Päpste, noch irgend ein
anderer. Erst im 16. Jahrhundert ist die Geschichte aufgebracht
worden, nicht von ungefähr, sondern aus guten Gründen, sie be-
gegnet zuerst in einer Predigt von Johann Eck.
Die Ansicht von dem hebräischen Urevangelium des Matthäus
ist die herrschende gewesen, bis Erasmus 1516 in den Annotationes
novi testamenti energischen Zweifel äußerte* 1. Seine These, ein
hebräischer Ur-Matthäus habe nie existiert, ist vorzugsweise von
den Protestanten in und nach der Reformationszeit angenommen
worden, während die katholische Kirche an der Tradition, das
Evangelium sei ursprünglich hebräisch geschrieben gewesen, glaubte
festhalten zu müssen. Der Kardinal Caietan jedoch hatte den
Mut Erasmus zu folgen und an der Spitze seines 1527 geschriebenen,
1530 zuerst erschienenen Kommentars zum Matthäus zu sagen2:
evangelium hoc non fuisse scriptum a Matthaeo Hebraice constat
manifeste ex ipso evangelii textu. Es ist bekannt, wie sich Johann
Eck 1518 als Vertreter der Orthodoxie gegen Erasmus’ Anno-
tationes aufwarf; ein Jahr nach dem Erscheinen von Caietans
Kommentar, im dritten, 1531 erschienenen Teile seiner Predigten,
am Ende der zweiten Predigt, ,,an Sant Matheus des Apostels tag",
sagt Eck: Bapst Nicolaus der fünf ft, ain liebhaher der leer vnd der
gelerten, hat fünfftausend Ducaten auss verhaissen, welcher jm das
advecta sunt in Italiam. — Über Niccolö Perottos Bemühungen um Hand-
schriften für Nicolaus V (1453 ?) vgl. Sabbadini, Le scoperte dei codici latini
e greci ne’ secoli XIV e XV (Biblioteca storica del rinascimento II) Florenz
1905 S. 57 f.
1 Novum instrumentum omne, diligenter ab Erasmo Roterodamo recog-
nitum et emendatum . . . Basel 1516. Annotationes novi testamenti. zu Matth,
cap. VIII. S. 254f.: . . . ut donemus Matthaeo hebraice scriptum evangelium quod
ipsum mihi non fit verisimile, cum nemo testetur se vidisse ullum illius voluminis
vestigium . . .; vgl. Erasmi Opera omnia T. VI: Novum Testamentum, Leyden
1705, S. 47. — Über die Geschichte der Frage: K. A. Credner, Einleitung
in das Neue Testament I, Halle 1836, S. 78ff.
2 Evangelia cum Commentariis. . . Thomae de Vio, Caietani, Cardinalis
Sancti Xisti, Paris 1532, S. 1, C; vgl. Richard Simon, Histoire critique des
principaux commentateurs du Nouveau Testament, Rotterdam 1693, S. 537 f.
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Nikolaus V. und seiner literarischen Verdienste weiß etwas
von seinen Bemühungen um diesen hebräischen Matthäus, der
Buchhändler Vespasiano nicht, noch Manetti, der für die hebrä-
ischen Studien doch besonders eingetreten, noch Platina, der
Präfekt der Vaticana und Biograph der Päpste, noch irgend ein
anderer. Erst im 16. Jahrhundert ist die Geschichte aufgebracht
worden, nicht von ungefähr, sondern aus guten Gründen, sie be-
gegnet zuerst in einer Predigt von Johann Eck.
Die Ansicht von dem hebräischen Urevangelium des Matthäus
ist die herrschende gewesen, bis Erasmus 1516 in den Annotationes
novi testamenti energischen Zweifel äußerte* 1. Seine These, ein
hebräischer Ur-Matthäus habe nie existiert, ist vorzugsweise von
den Protestanten in und nach der Reformationszeit angenommen
worden, während die katholische Kirche an der Tradition, das
Evangelium sei ursprünglich hebräisch geschrieben gewesen, glaubte
festhalten zu müssen. Der Kardinal Caietan jedoch hatte den
Mut Erasmus zu folgen und an der Spitze seines 1527 geschriebenen,
1530 zuerst erschienenen Kommentars zum Matthäus zu sagen2:
evangelium hoc non fuisse scriptum a Matthaeo Hebraice constat
manifeste ex ipso evangelii textu. Es ist bekannt, wie sich Johann
Eck 1518 als Vertreter der Orthodoxie gegen Erasmus’ Anno-
tationes aufwarf; ein Jahr nach dem Erscheinen von Caietans
Kommentar, im dritten, 1531 erschienenen Teile seiner Predigten,
am Ende der zweiten Predigt, ,,an Sant Matheus des Apostels tag",
sagt Eck: Bapst Nicolaus der fünf ft, ain liebhaher der leer vnd der
gelerten, hat fünfftausend Ducaten auss verhaissen, welcher jm das
advecta sunt in Italiam. — Über Niccolö Perottos Bemühungen um Hand-
schriften für Nicolaus V (1453 ?) vgl. Sabbadini, Le scoperte dei codici latini
e greci ne’ secoli XIV e XV (Biblioteca storica del rinascimento II) Florenz
1905 S. 57 f.
1 Novum instrumentum omne, diligenter ab Erasmo Roterodamo recog-
nitum et emendatum . . . Basel 1516. Annotationes novi testamenti. zu Matth,
cap. VIII. S. 254f.: . . . ut donemus Matthaeo hebraice scriptum evangelium quod
ipsum mihi non fit verisimile, cum nemo testetur se vidisse ullum illius voluminis
vestigium . . .; vgl. Erasmi Opera omnia T. VI: Novum Testamentum, Leyden
1705, S. 47. — Über die Geschichte der Frage: K. A. Credner, Einleitung
in das Neue Testament I, Halle 1836, S. 78ff.
2 Evangelia cum Commentariis. . . Thomae de Vio, Caietani, Cardinalis
Sancti Xisti, Paris 1532, S. 1, C; vgl. Richard Simon, Histoire critique des
principaux commentateurs du Nouveau Testament, Rotterdam 1693, S. 537 f.