Ogier Gislen von Busbeck.
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daß damals niemand an die Existenz einer Handschriftensammlung
im Serai gedacht hat.
Über die Einzigartigkeit des herrlichen Dioskorides ist sich
Busbeck nicht einen Augenblick im Unklaren gewesen. Daß dieses
Kleinod einst einer kaiserlichen Prinzessin gehört, hat er, wenn
nicht aus der Handschrift selbst, sicherlich von ihrem Besitzer
erfahren, während er möglicherweise den Eintrag, der die Herkunft
aus dem Kloster S. Johannis Praecursoris in Konstantinopel bezeugt,
nicht gekannt und schwerlich gewußt hat, daß der Codex dort
schon von Aurispa 1422/23 gesichtet worden war. Im Besitz des
Sohnes eines Leibarztes des Sultans, der in ganz ungewöhnlicher
Gunst gestanden hatte und im Serai täglich ein- und ausgegangen
war, hat Busbeck die Handschrift gefunden. Man kann wohl mit
Sicherheit sagen: hätte Busbeck an Überbleibsel der kaiserlichen
Bibliothek, an bestimmtem Ort verborgen, hätte er an Hand-
schriftenschätze im Serai geglaubt, an jener Stelle, wo er so aus-
führlich von der Dioskorideshandschrift spricht, hätte er uns das
wenigstens durch ein Wort ahnen lassen. Und auch sein Genosse
auf dem Iter Amasianum, gleichfalls Handschriftensammler, Hans
Dernschwam v. Hradiczin, der zuvor von Ende August 1553
bis Anfang März 1555 in Konstantinopel geweilt hatte, verrät uns
in seinem Tagebuch nichts von einer Bibliothek im Serai1.
Als David von Ungnad, Freiherr von Sonnegk und Preyburg,
von Kaiser' Maximilian II. als Botschafter an die Ottomanische
Pforte zur Erneuerung des Friedens bestimmt wurde, sah er sich
nach einem Gesandtschaftsprediger um und wendete sich dieser-
halb an Herzog Ludwig von Würtemberg umb eineTi Evangelischen,
Exemplarischen und gelehrten Prediger, so der Griechischen Sprache
sonderlich wohlerfahren wäre. Der Herzog beauftragte die Univer-
1 Über Dernschwam vgl.: Franz Babinger, Hans Dernschwam, ein
Kleinasienforscher des 16. Jahrhunderts, in: Deutsche Rundschau für Geo-
graphie Jg. 35 1912-13 S. 535-546; Jg. 36 1914 S. 133-135. 187. - Rud.
Beer: Zur Geschichte der kaiserlichen Handschriftensammlung (Wien).
Sonderabdruck aus der Weihnachtsbeilage 1912 der Wiener ,,Montags-Revue“
S. 5 ff. — Otto Hartig, Die Gründung der Münchener Hofbibliothek durch
Albrecht V. und Johann Fugger. München 1917 (Abhandlungen der Kgl.
Bayer. Akad. d. Wiss. Philos.-philol. u. hist. Kl. Bd. 28 Abh. 3) S. 221 f. —
Hans Ankwicz-Kleehofen, Wiener Humanisten-Exlibris, in: Jahrbuch der
österr. Exlibris-Gesellschaft Bd. 17 1919 S. 32, welchen Hinweis ich F. Babin-
ger verdanke. — Dernschwams Tagebuch, Autograph: Augsburg, Fürstlich
und Gräflich Fuggersches Familien- und Stiftungsarchiv XXXI—E—9.
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daß damals niemand an die Existenz einer Handschriftensammlung
im Serai gedacht hat.
Über die Einzigartigkeit des herrlichen Dioskorides ist sich
Busbeck nicht einen Augenblick im Unklaren gewesen. Daß dieses
Kleinod einst einer kaiserlichen Prinzessin gehört, hat er, wenn
nicht aus der Handschrift selbst, sicherlich von ihrem Besitzer
erfahren, während er möglicherweise den Eintrag, der die Herkunft
aus dem Kloster S. Johannis Praecursoris in Konstantinopel bezeugt,
nicht gekannt und schwerlich gewußt hat, daß der Codex dort
schon von Aurispa 1422/23 gesichtet worden war. Im Besitz des
Sohnes eines Leibarztes des Sultans, der in ganz ungewöhnlicher
Gunst gestanden hatte und im Serai täglich ein- und ausgegangen
war, hat Busbeck die Handschrift gefunden. Man kann wohl mit
Sicherheit sagen: hätte Busbeck an Überbleibsel der kaiserlichen
Bibliothek, an bestimmtem Ort verborgen, hätte er an Hand-
schriftenschätze im Serai geglaubt, an jener Stelle, wo er so aus-
führlich von der Dioskorideshandschrift spricht, hätte er uns das
wenigstens durch ein Wort ahnen lassen. Und auch sein Genosse
auf dem Iter Amasianum, gleichfalls Handschriftensammler, Hans
Dernschwam v. Hradiczin, der zuvor von Ende August 1553
bis Anfang März 1555 in Konstantinopel geweilt hatte, verrät uns
in seinem Tagebuch nichts von einer Bibliothek im Serai1.
Als David von Ungnad, Freiherr von Sonnegk und Preyburg,
von Kaiser' Maximilian II. als Botschafter an die Ottomanische
Pforte zur Erneuerung des Friedens bestimmt wurde, sah er sich
nach einem Gesandtschaftsprediger um und wendete sich dieser-
halb an Herzog Ludwig von Würtemberg umb eineTi Evangelischen,
Exemplarischen und gelehrten Prediger, so der Griechischen Sprache
sonderlich wohlerfahren wäre. Der Herzog beauftragte die Univer-
1 Über Dernschwam vgl.: Franz Babinger, Hans Dernschwam, ein
Kleinasienforscher des 16. Jahrhunderts, in: Deutsche Rundschau für Geo-
graphie Jg. 35 1912-13 S. 535-546; Jg. 36 1914 S. 133-135. 187. - Rud.
Beer: Zur Geschichte der kaiserlichen Handschriftensammlung (Wien).
Sonderabdruck aus der Weihnachtsbeilage 1912 der Wiener ,,Montags-Revue“
S. 5 ff. — Otto Hartig, Die Gründung der Münchener Hofbibliothek durch
Albrecht V. und Johann Fugger. München 1917 (Abhandlungen der Kgl.
Bayer. Akad. d. Wiss. Philos.-philol. u. hist. Kl. Bd. 28 Abh. 3) S. 221 f. —
Hans Ankwicz-Kleehofen, Wiener Humanisten-Exlibris, in: Jahrbuch der
österr. Exlibris-Gesellschaft Bd. 17 1919 S. 32, welchen Hinweis ich F. Babin-
ger verdanke. — Dernschwams Tagebuch, Autograph: Augsburg, Fürstlich
und Gräflich Fuggersches Familien- und Stiftungsarchiv XXXI—E—9.