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Dominico von Jerusalem.
dem eben Gesagten als die „echte Urschrift“ nur das mit hebrä-
ischen Buchstaben in italienischer Sprache geschriebene Auto-
graph Dominicos angesprochen werden, und Chiericis Arbeit hat
demnach in der Umsetzung von Dominicos Text in italienische
Schrift bestanden. Das vero Originale ist heute leider verloren
oder doch zurzeit nicht auffindbar. In Dominicos Nachlaß scheint
es sich 1622 nicht vorgefunden zu haben1. Die „echte Urschrift“
wird in Chiericis Besitz, gegen Bezahlung, wie wahrscheinlich,
übergangen sein. Mit dem richtigen Wort wird seine Tätigkeit
deutlich auf dem Titelblatt bezeichnet, nicht data in luce, tradotta
oder volgarizatta, nicht herausgegeben oder übersetzt, sondern „aus
der echten Urschrift herausgenommen“: aus den hebräischen,
Schriftzeichen hat Chierici den italienischen Text herausgehoben
und in Antiquaschrift umgeschrieben2. Sachlich verändert hat
Chierici ihn mit Vorbedacht gewiß nicht, es sei denn, daß er ihn
nicht verstanden hat, möglicherweise hat er ihn stilistisch geglättet,
jedenfalls ist er für den Wortlaut des Textes verantwortlich3.
Die Bedaktion A der Belation geht also — aller Wahrschein-
lichkeit nach — auf ein Diktat, die Redaktion B auf die Hand-
schrift Dominicos zurück. Ausführliche Textstellen zum Beleg
dieser Aufstellung zweier Redaktionen lasse ich — aus praktischen
Gründen — erst unten folgen (s. Taf. I nach S. 64).
Noch nicht ganz 60jährig hat Dominico 1611 die kürzere
Fassung seiner Relation über Konstantinopel, das er 20 Jahre
zuvor verlassen hatte, abgefaßt d. h. wahrscheinlich diktiert.
Später, vielleicht auf Ansuchen, möglicherweise Chiericis, hat er
diese Fassung neu redigiert d. h. italienisch mit hebräischen Buch-
staben niedergeschrieben; indem er den Wortlaut der älteren im
wesentlichen übernahm, hat er kleinere Erweiterungen zur Ver-
deutlichung des Textes vorgenommen und größere sachliche Er-
gänzungen eingefügt.
1 S. oben S. 35 f. Anm. 1; Sacerdote a. a. O. S. 178ff., Nr. 32—36. Wäre
sie vorhanden gewesen, so hätte sie Bartoli gewiß für Borromeo an sich ge-
nommen. In der Tat war der literarische Nachlaß Dominicos wertlos.
2 Ob Chierici in der Tat die Arbeit selbst geleistet oder von einem
andern hat machen lassen, ist für uns ohne Belang. — Natürlich heißt cavata
auch „übersetzt“, so z. B.: Viaggi di Moscovia degli anni 1633—1636. Libri
tre cavati dal tedesco. Viterbo 1658.
3 Daß Dominico Chiericis Umschrift vor dem Druck oder in der Druck-
korrektur einer genauen Prüfung unterworfen hat, ist an und für sich
ganz unwahrscheinlich, und, wie sich unten zeigen wird, tatsächlich nicht
der Fall gewesen.
Dominico von Jerusalem.
dem eben Gesagten als die „echte Urschrift“ nur das mit hebrä-
ischen Buchstaben in italienischer Sprache geschriebene Auto-
graph Dominicos angesprochen werden, und Chiericis Arbeit hat
demnach in der Umsetzung von Dominicos Text in italienische
Schrift bestanden. Das vero Originale ist heute leider verloren
oder doch zurzeit nicht auffindbar. In Dominicos Nachlaß scheint
es sich 1622 nicht vorgefunden zu haben1. Die „echte Urschrift“
wird in Chiericis Besitz, gegen Bezahlung, wie wahrscheinlich,
übergangen sein. Mit dem richtigen Wort wird seine Tätigkeit
deutlich auf dem Titelblatt bezeichnet, nicht data in luce, tradotta
oder volgarizatta, nicht herausgegeben oder übersetzt, sondern „aus
der echten Urschrift herausgenommen“: aus den hebräischen,
Schriftzeichen hat Chierici den italienischen Text herausgehoben
und in Antiquaschrift umgeschrieben2. Sachlich verändert hat
Chierici ihn mit Vorbedacht gewiß nicht, es sei denn, daß er ihn
nicht verstanden hat, möglicherweise hat er ihn stilistisch geglättet,
jedenfalls ist er für den Wortlaut des Textes verantwortlich3.
Die Bedaktion A der Belation geht also — aller Wahrschein-
lichkeit nach — auf ein Diktat, die Redaktion B auf die Hand-
schrift Dominicos zurück. Ausführliche Textstellen zum Beleg
dieser Aufstellung zweier Redaktionen lasse ich — aus praktischen
Gründen — erst unten folgen (s. Taf. I nach S. 64).
Noch nicht ganz 60jährig hat Dominico 1611 die kürzere
Fassung seiner Relation über Konstantinopel, das er 20 Jahre
zuvor verlassen hatte, abgefaßt d. h. wahrscheinlich diktiert.
Später, vielleicht auf Ansuchen, möglicherweise Chiericis, hat er
diese Fassung neu redigiert d. h. italienisch mit hebräischen Buch-
staben niedergeschrieben; indem er den Wortlaut der älteren im
wesentlichen übernahm, hat er kleinere Erweiterungen zur Ver-
deutlichung des Textes vorgenommen und größere sachliche Er-
gänzungen eingefügt.
1 S. oben S. 35 f. Anm. 1; Sacerdote a. a. O. S. 178ff., Nr. 32—36. Wäre
sie vorhanden gewesen, so hätte sie Bartoli gewiß für Borromeo an sich ge-
nommen. In der Tat war der literarische Nachlaß Dominicos wertlos.
2 Ob Chierici in der Tat die Arbeit selbst geleistet oder von einem
andern hat machen lassen, ist für uns ohne Belang. — Natürlich heißt cavata
auch „übersetzt“, so z. B.: Viaggi di Moscovia degli anni 1633—1636. Libri
tre cavati dal tedesco. Viterbo 1658.
3 Daß Dominico Chiericis Umschrift vor dem Druck oder in der Druck-
korrektur einer genauen Prüfung unterworfen hat, ist an und für sich
ganz unwahrscheinlich, und, wie sich unten zeigen wird, tatsächlich nicht
der Fall gewesen.