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Dominico von Jerusalem.
Das ist die älteste Nachricht über Bibliotheken und
Handschriften im Serai!
„Und insbesondere 120 Stück von denen Konstantin des
Großen“. Sie enthalten das Alte und Neue Testament et altre
Historie und Heiligenleben. Die Handschriften sind ganz außer-
ordentlich groß, geschrieben auf Pergament so dünn wie Seide,
sämtlich in Goldschrift, gebunden in Einbände von vergoldetem
Silber, besetzt mit Edelsteinen. Sie werden mit äußerster Sorgfalt
bewahrt, niemand darf sie anrühren. Es sind größte Kostbar-
keiten und als solche in der Seraibibliothek bekannt und geachtet.
Dominicos Beschreibung dieser kostbaren Handschriften ent-
hält, abgesehen von den Massen —worüber gleich— durchaus nichts
Verwunderliches oder Unglaubliches. Daß mit den beschriebenen
Handschriften griechische gemeint sind, wird, obgleich es nicht
ausdrücklich gesagt ist, niemand bezweifeln. Herkunft und Alter
geben die Worte di quelli di Costantino Magno. Ein Zweifel an Domi-
nicos Glaubwürdigkeit, der hieraus genommen werden könnte, ist
ohne weiteres zu zerstreuen. Gefragt werden muß: wie kommt
Dominico dazu, diese „Stücke“ als „von denen Konstantin des
Großen“ zu bezeichnen, in welchem Sinne ist die Verbindung der
Handschriften mit dem Namen Konstantins zu verstehen ?
Sie sind uralt. Das soll gesagt werden. Und das Uralte führte
eben die Tradition ohne weiteres auf den Gründer der Stadt zurück.
Auch hier wird eine Tradition bestanden haben, die diese Hand-
schriften der Libraria commune mit Konstantin dem Großen in
Zusammenhang brachte, und Dominico hat sie wie in anderen,
oben (S. 54ff.) angeführten Fällen von den litterati etsapienti (s. oben
S. 54) als glaubhaft einfach übernommen. Aber lassen wir eine
Tradition, von der Dominico nichts sagt, und lesen die Worte
über das Alter der Handschriften als das eigene Urteil Dominicos,
des Helfers bei der Gründung der Ambrosiana, des Handschriften-
kenners. Es ist nicht befremdlicher als andere solche Datierungen
vor Montfaucon überhaupt. Fulvio Orsini glaubte einen Virgil,
Martial, Valerius Flaccus, Boethius u. a. d’antichitä di mille anni
zu besitzen1, Manuzio sprach 1504 von einem über vetustus, ita
antiquum ut. putem scriptum Plinii temporibus2. Die Vorsicht eines
1 de Nolhac: La bibliotheque de Fulvio Orsini (Bibliotheque de l’Ecole
des hautes etudes, Fase. 74), Paris 1887, S. 276, 358f. nr. 6, 7, 8, 35. Vgl.
Traube: Vorlesungen und Abhandlungen, Bd. 1, München 1909, S. 28f.
2 Bandini: Gatalogus codicum latinorum Bibliothecae Mediceae-Lauren-
tianae, T. 2, Florenz 1775, S. 424. Plut. XLVII. cod. 36.
Dominico von Jerusalem.
Das ist die älteste Nachricht über Bibliotheken und
Handschriften im Serai!
„Und insbesondere 120 Stück von denen Konstantin des
Großen“. Sie enthalten das Alte und Neue Testament et altre
Historie und Heiligenleben. Die Handschriften sind ganz außer-
ordentlich groß, geschrieben auf Pergament so dünn wie Seide,
sämtlich in Goldschrift, gebunden in Einbände von vergoldetem
Silber, besetzt mit Edelsteinen. Sie werden mit äußerster Sorgfalt
bewahrt, niemand darf sie anrühren. Es sind größte Kostbar-
keiten und als solche in der Seraibibliothek bekannt und geachtet.
Dominicos Beschreibung dieser kostbaren Handschriften ent-
hält, abgesehen von den Massen —worüber gleich— durchaus nichts
Verwunderliches oder Unglaubliches. Daß mit den beschriebenen
Handschriften griechische gemeint sind, wird, obgleich es nicht
ausdrücklich gesagt ist, niemand bezweifeln. Herkunft und Alter
geben die Worte di quelli di Costantino Magno. Ein Zweifel an Domi-
nicos Glaubwürdigkeit, der hieraus genommen werden könnte, ist
ohne weiteres zu zerstreuen. Gefragt werden muß: wie kommt
Dominico dazu, diese „Stücke“ als „von denen Konstantin des
Großen“ zu bezeichnen, in welchem Sinne ist die Verbindung der
Handschriften mit dem Namen Konstantins zu verstehen ?
Sie sind uralt. Das soll gesagt werden. Und das Uralte führte
eben die Tradition ohne weiteres auf den Gründer der Stadt zurück.
Auch hier wird eine Tradition bestanden haben, die diese Hand-
schriften der Libraria commune mit Konstantin dem Großen in
Zusammenhang brachte, und Dominico hat sie wie in anderen,
oben (S. 54ff.) angeführten Fällen von den litterati etsapienti (s. oben
S. 54) als glaubhaft einfach übernommen. Aber lassen wir eine
Tradition, von der Dominico nichts sagt, und lesen die Worte
über das Alter der Handschriften als das eigene Urteil Dominicos,
des Helfers bei der Gründung der Ambrosiana, des Handschriften-
kenners. Es ist nicht befremdlicher als andere solche Datierungen
vor Montfaucon überhaupt. Fulvio Orsini glaubte einen Virgil,
Martial, Valerius Flaccus, Boethius u. a. d’antichitä di mille anni
zu besitzen1, Manuzio sprach 1504 von einem über vetustus, ita
antiquum ut. putem scriptum Plinii temporibus2. Die Vorsicht eines
1 de Nolhac: La bibliotheque de Fulvio Orsini (Bibliotheque de l’Ecole
des hautes etudes, Fase. 74), Paris 1887, S. 276, 358f. nr. 6, 7, 8, 35. Vgl.
Traube: Vorlesungen und Abhandlungen, Bd. 1, München 1909, S. 28f.
2 Bandini: Gatalogus codicum latinorum Bibliothecae Mediceae-Lauren-
tianae, T. 2, Florenz 1775, S. 424. Plut. XLVII. cod. 36.