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Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0140
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128 Girardin und die Handschriften Mustafas.
Auch sie hätten, wie gesagt, ganz unnötigerweise erst gestohlen
— hei der Sorgsamkeit, die man dem Siegel gleich einem Heilig-
tume angedeihen ließ, keine Kleinigkeit — oder, was schon der
Kosten wegen ausgeschlossen ist, neu geschnitten werden müssen.
Mit anderen Worten: die Siegel sind echt und von Mustafas Zeit
her an ihrem Ort. Aus seiner Verlassenschaft fanden die Hand-
schriften sich herrenlos im Serai, wer weiß an welchem Ort, viel-
leicht in dem Kiosk, in dem er als ein Gefangener sein Leben be-
schlossen. —
Wer war dieser osmanische Prinz, der griechische Handschriften
sammelte ?
Mustafas Erscheinung ist eine höchst absonderliche in der
Geschichte der Osmanen, und absonderlich sind auch die Gescheh-
nisse seines Lebens. Daß dieses nicht schon im Knabenalter endete,
war zunächst etwas unerhörtes. 1591 wurde Mustafa geboren.
Am 22. Dezember 1603 starb sein Vater Sultan Mehemmed III.,
und den Thron der Osmanen bestieg als Ahmed I. der älteste
Sohn, ein Knabe von höchstens 16 Jahren. Zum erstenmal seit
den Zeiten Mehemmed II. unterblieb der mit dem Regierungs-
antritt sonst verbundene Brudermord: Ahmed schenkte seinem
jüngeren Bruder Mustafa das Leben. Und wiederum, als Sultan
Ahmed I. am 21. November 1617 starb, erfuhr Mustafa etwas
bis dahin nicht dagewesenes. Da Ahmeds ältester Sohn kaum
13 Jahre alt war, kam die Herrschaft, die seit dem Bestehen des
osmanischen Reiches in ununterbrochener Linie der Sultansohn
vom Sultanvater geerbt hatte, nach dem Thronfolgerecht des
größeren Alters zum erstenmal an den Sultanbruder, an ihn, nun-
mehr Mustafa I.. Nur wenige Monate dauerte seine Regierung,
am 26. Februar 1618 mußte er sie Ahmeds Sohn, Osman II. über-
lassen, aber er behielt das Leben, und vier Jahre später ward er
durch bisher unerhörte Tat noch einmal zum Sultan eingesetzt,
der erste Herrschermord, den die osmanische Geschichte ver-
zeichnet, der Tod Osman II., brachte ihn noch einmal auf den
Thron (20. Mai 1622), für wenig länger denn ein Jahr, bis Osmans
jüngerer Bruder, Murad IV., am 10. September 1623 die Zügel
ergriff. Und ein letztesmal widerfuhr Mustafa Gnade, Murad ließ
ihn am Leben. Erst 17 Jahre später, wenige Monate vor dem Tode
Murad IV. (9. Februar 1640), ist Mustafa gestorben1.

1 Für vorstehendes vgl. Hammer, Geschichte des osmanischen Reiches,
Bd. 4, Pest 1829, S. 552, 496f., 545f., 553, 594; Jorga, Geschichte des
 
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