Nach der in der Literatur bisher vertretenen Auffassung haben
nordische Rechte, und zwar im besonderen die ostnordischen, von
einem Beweisverfahren Gebrauch gemacht, das Zeugen und Eid-
helfer kombiniert1. Als solche Kombination wird der in diesen
Rechten häufige Beweis durch eine „Zwölft“ und ein vitni oder
einen foreper angesehen. Diese Auffassung ist insoferne termino-
logisch gerechtfertigt, als mit dem Worte vitni in der nordischen
Rechtssprache ein Zeugnis bezeichnet werden kann, und ferner
die „Zwölft“ (■tylpt) oder der tylptareper der ostnordischen Rechte
eine Eidhelfergruppe bezeichnet. Übersehen ist in terminolo-
gischer Beziehung die Frage, ob die Bedeutung von vitni nur
die eben angegebene ist oder nicht etwa der Wortsinn Veränderun-
gen unterlegen ist, die eine Ausweitung des Begriffes über das
Zeugnis hinaus darstellen.
In sachlicher Beziehung ist die Beurteilung der herrschenden
Meinung von einer genauen Umgrenzung des Begriffes „Zeugnis“
abhängig. Wie Engströmer2 zuletzt richtig hervorhebt, handelt
es sich dabei um die Grenzziehung zwischen den drei Begriffen
der Eidhilfe, des Zeugnisses und der nsemd oder Jury. Diese ist
nach der herrschenden Meinung dadurch gegeben, daß der Eid-
helfer eine Aussage über die Reinheit des Haupteides abgibt,
der Zeuge eine solche über die zu beweisende Tatsache, der iurator
eine solche über seine Überzeugung von der Wahrheit oder Un-
wahrheit eines Tatbestandes3. Hieran zu rütteln besteht kein
Anlaß. Wohl aber darf zur Ergänzung nicht übersehen werden,
daß die Aussage des Eidhelfers und des iurator unabhängig ist
1 Maurer, Kritische Überschau für Gesetzgebung und Rechtswissen-
schaft V, 234; Nordstrom, Bidrag tili den svenska Samhällsförfattningens
Historia II (1840), 724ff., 737ff.; Engströmer, Yittnesbeviset (1911) 43;
Kolderup-Rosenvinge, Grundriß der dänischen Rechtsgeschichte(1825) 144;
H. Matzen, Om bevisreglerne i den seldste danske Proces (1893), 79ff.; Leh-
mann, Der Königsfriede der Nordgermanen (1886) 18; Sachsse, Das Beweis-
verfahren (1855), 92f. Unzugänglich blieb mir Carlquist, Studier i äldre
svenska bevisrättens utveckling (1918). Erst während der Korrektur konnte
ich benützen, Sjöros, Äldre Västgötalagen (1919).
2 A. a. O. 33 f.
3 Vgl. z. B. v. Amira, Grundriß3 271, 273, 279.
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nordische Rechte, und zwar im besonderen die ostnordischen, von
einem Beweisverfahren Gebrauch gemacht, das Zeugen und Eid-
helfer kombiniert1. Als solche Kombination wird der in diesen
Rechten häufige Beweis durch eine „Zwölft“ und ein vitni oder
einen foreper angesehen. Diese Auffassung ist insoferne termino-
logisch gerechtfertigt, als mit dem Worte vitni in der nordischen
Rechtssprache ein Zeugnis bezeichnet werden kann, und ferner
die „Zwölft“ (■tylpt) oder der tylptareper der ostnordischen Rechte
eine Eidhelfergruppe bezeichnet. Übersehen ist in terminolo-
gischer Beziehung die Frage, ob die Bedeutung von vitni nur
die eben angegebene ist oder nicht etwa der Wortsinn Veränderun-
gen unterlegen ist, die eine Ausweitung des Begriffes über das
Zeugnis hinaus darstellen.
In sachlicher Beziehung ist die Beurteilung der herrschenden
Meinung von einer genauen Umgrenzung des Begriffes „Zeugnis“
abhängig. Wie Engströmer2 zuletzt richtig hervorhebt, handelt
es sich dabei um die Grenzziehung zwischen den drei Begriffen
der Eidhilfe, des Zeugnisses und der nsemd oder Jury. Diese ist
nach der herrschenden Meinung dadurch gegeben, daß der Eid-
helfer eine Aussage über die Reinheit des Haupteides abgibt,
der Zeuge eine solche über die zu beweisende Tatsache, der iurator
eine solche über seine Überzeugung von der Wahrheit oder Un-
wahrheit eines Tatbestandes3. Hieran zu rütteln besteht kein
Anlaß. Wohl aber darf zur Ergänzung nicht übersehen werden,
daß die Aussage des Eidhelfers und des iurator unabhängig ist
1 Maurer, Kritische Überschau für Gesetzgebung und Rechtswissen-
schaft V, 234; Nordstrom, Bidrag tili den svenska Samhällsförfattningens
Historia II (1840), 724ff., 737ff.; Engströmer, Yittnesbeviset (1911) 43;
Kolderup-Rosenvinge, Grundriß der dänischen Rechtsgeschichte(1825) 144;
H. Matzen, Om bevisreglerne i den seldste danske Proces (1893), 79ff.; Leh-
mann, Der Königsfriede der Nordgermanen (1886) 18; Sachsse, Das Beweis-
verfahren (1855), 92f. Unzugänglich blieb mir Carlquist, Studier i äldre
svenska bevisrättens utveckling (1918). Erst während der Korrektur konnte
ich benützen, Sjöros, Äldre Västgötalagen (1919).
2 A. a. O. 33 f.
3 Vgl. z. B. v. Amira, Grundriß3 271, 273, 279.
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