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Ficker, Johannes; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 5. Abhandlung): Hebräische Handpsalter Luthers — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37682#0027
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Hebräische Iiandpsalter Luthers.

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die neue Gestalt des e (fast = i ohne Punkt) getreten, und auch das
a in der ganz geöffneten Form erscheint jetzt häufig. Durch alle
die Schriftproben geht eine stark wechselnde Bewegung. Man
fühlt in den Zügen starke Stimmungen, man spürt auch ein über-
aus empfindsames Gefühl des Schreibenden, das von äußeren Ein-
flüssen lebhafter beeinflußt ist: breiter oder spitzer Feder, Papier,
von dem für die Niederschrift verfügbaren Raume.
Die Briefe aus Wittenberg von 1516—1520 sind meistens in
brauner (schwarz- oder mittelbrauner) Tinte geschrieben (1519
fehlen in blasser Tinte geschriebene nicht), die aus anderen Orten
von Luther gesandten zeigen meistens blasse Farbe. Die Wart-
burgbriefe haben erst vom letzten Juli ab wieder braune Farbe,
vom 10. Juni an (vorher sind keine Originale erhalten) bis Ende
Juli war die Burgtinte grau, wie die Farbe der Randnoten zu Ps. 119.
In die Wartburgzeit weist ohne weiteres der Schriftcharakter
der Noten zu diesen Psalmen. Auch die Randbemerkung zu
Ps. 68 hat im ganzen Duktus wie in den graphischen Eigentümlich-
keiten einzelner Buchstaben ihr genaues Gegenstück in dem Briefe
an Spalatin vom 10. Juni 15211.
Auch hinschtlich ihres Inhalts und ihrer Absicht treffen
die Zusätze zu Ps. 68 und 119 nur an der einen Stelle, in der
Luther den Text korrigiert (das Fehlerverzeichnis gibt zu
119, 15 den Irrtum nicht an) mit dem Charakter der Einträge im
ersten Drittel des Druckes zusammen. Alle die anderen Be-
merkungen sind anderer Art. Psalm 68 und Psalm 119 — es sind
die beiden Psalmen, die Luther im Frühjahr bis in den Sommer
seiner Wartburgzeit ausgelegt und gedruckt hat. Mitten in der
eifrigsten Arbeit am Psalter, während der Auslegung von Ps. 222,
hatte ihn die Ladung von Worms getroffen. Psalterium prosequar,
schreibt er von seinem Psalmenwerke3, kaum daß er auf der Wart-
burg angekommen war, und noch im Frühjahre vollendete er dort
den letzten Psalmen, den er in seinen Operationes behandelte. Die
Psalmen erfüllten mit ganzer Lebendigkeit sein Herz, wie immer
in hohen und schweren Stunden. Sein erstes Wort von der Burg-
feste an Melanchthon ist ein Wort aus dem Psalter, aus schweren
Gedanken über die Kirche die schwermütige Frage: numquid
vane constituisti omnes filios hominum? — hic sedens — illud

1 Enders, Briefwechsel Luthers 3, S. 171.
2 W. A. 5, S. 649.
3 Enders 3, S. 148.
 
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