Charles Rogier.
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eine Ausstellung der Schönen Künste, nahm die Sichtung der
Staatsarchive in die Hand, organisierte die Academie de Belgique
und rief, hier dem Beispiel des Freiherrn vom Stein folgend, eine
Kommission zur Veröffentlichung der ,,Chroniques Nationales“
ins Leben.
Besondere Aufmerksamkeit widmete er den Verkehrsverhält-
nissen. Nach englischem Muster wollte er eine Schienenbahn
(chemin a ornieres) schaffen. Schon früher, während der „Pro-
visorischen Regierung“, war er mit Vorschlägen gekommen,
ohne sie aber damals verwirklichen zu können. Jetzt brachte er
im Juni 1833 den Gesetzesentwurf ein; das Meer, Schelde, Maas
und Rhein, Antwerpen und Verviers sollten miteinander verbun-
den werden, Abzweigungen über Namur die Verbindung mit
Frankreich, über Ostende mit England hersteilen.
Die Opposition schwieg auch diesmal nicht. Neben sach-
lichen Argumenten wurden auch recht unsachliche, ja kindliche
vorgebracht. Zahlreiche Abgeordnete zogen eine Erweiterung des
Kanalnetzes vor. Andere versprachen sich nicht die geringsten
Vorteile für die Landwirtschaft: die Meiereien würden nicht ein-
mal ihre Erzeugnisse mit Erfolg versenden können, die Eier aus
der Provinz würden in Brüssel als Eierkuchen, die Milch als Schlag-
sahne eintreffen. Gendebien fuhr sofort grobes Geschütz auf.
Da er eine Schädigung für den Hennegau befürchtete, drohte er
gleich mit der Trennung dieser Provinz von Belgien! Spott und
Hohn prasselten auf Rogier nieder: nach Analogie der ,,Voie
Appienne“ lechze er nach einer ,,Voie Rogierienne!“
Rogier ließ sich nicht abschrecken. In glänzenden Reden
brachte er die Widersacher zum Schweigen und wies Belgien auf
die gewaltigen Aufgaben der Zukunft hin. Wolle es Selbstmord
begehen, dann möge es den deutschen Markt Holland, den Hanse-
städten oder Frankreich überlassen. Kammer und Senat nahmen
schließlich das Gesetz an, am 5. Mai 1835 wurde die erste Teil-
strecke Brüssel-Mecheln eingeweiht.
Rogier gehörte bereits damals dem Ministerium nicht mehr
an. Meinungsverschiedenheiten mit einem Kollegen hatten ihn
und Lebeau dazu veranlaßt, ihre Portefeuilles dem König zur
Verfügung zu stellen (am 1. August 1834). Rogier kehrte als
Gouverneur nach Antwerpen zurück, wurde aber bald nach dem Lon-
doner Vertrag vom 4. April 1839 als Minister wieder zurückgerufen.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-bist. Kl. 1919. 6. Abh.
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eine Ausstellung der Schönen Künste, nahm die Sichtung der
Staatsarchive in die Hand, organisierte die Academie de Belgique
und rief, hier dem Beispiel des Freiherrn vom Stein folgend, eine
Kommission zur Veröffentlichung der ,,Chroniques Nationales“
ins Leben.
Besondere Aufmerksamkeit widmete er den Verkehrsverhält-
nissen. Nach englischem Muster wollte er eine Schienenbahn
(chemin a ornieres) schaffen. Schon früher, während der „Pro-
visorischen Regierung“, war er mit Vorschlägen gekommen,
ohne sie aber damals verwirklichen zu können. Jetzt brachte er
im Juni 1833 den Gesetzesentwurf ein; das Meer, Schelde, Maas
und Rhein, Antwerpen und Verviers sollten miteinander verbun-
den werden, Abzweigungen über Namur die Verbindung mit
Frankreich, über Ostende mit England hersteilen.
Die Opposition schwieg auch diesmal nicht. Neben sach-
lichen Argumenten wurden auch recht unsachliche, ja kindliche
vorgebracht. Zahlreiche Abgeordnete zogen eine Erweiterung des
Kanalnetzes vor. Andere versprachen sich nicht die geringsten
Vorteile für die Landwirtschaft: die Meiereien würden nicht ein-
mal ihre Erzeugnisse mit Erfolg versenden können, die Eier aus
der Provinz würden in Brüssel als Eierkuchen, die Milch als Schlag-
sahne eintreffen. Gendebien fuhr sofort grobes Geschütz auf.
Da er eine Schädigung für den Hennegau befürchtete, drohte er
gleich mit der Trennung dieser Provinz von Belgien! Spott und
Hohn prasselten auf Rogier nieder: nach Analogie der ,,Voie
Appienne“ lechze er nach einer ,,Voie Rogierienne!“
Rogier ließ sich nicht abschrecken. In glänzenden Reden
brachte er die Widersacher zum Schweigen und wies Belgien auf
die gewaltigen Aufgaben der Zukunft hin. Wolle es Selbstmord
begehen, dann möge es den deutschen Markt Holland, den Hanse-
städten oder Frankreich überlassen. Kammer und Senat nahmen
schließlich das Gesetz an, am 5. Mai 1835 wurde die erste Teil-
strecke Brüssel-Mecheln eingeweiht.
Rogier gehörte bereits damals dem Ministerium nicht mehr
an. Meinungsverschiedenheiten mit einem Kollegen hatten ihn
und Lebeau dazu veranlaßt, ihre Portefeuilles dem König zur
Verfügung zu stellen (am 1. August 1834). Rogier kehrte als
Gouverneur nach Antwerpen zurück, wurde aber bald nach dem Lon-
doner Vertrag vom 4. April 1839 als Minister wieder zurückgerufen.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-bist. Kl. 1919. 6. Abh.
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