Agatharchidea.
39
sammenweben von platonischen, aristotelischen und stoischen
Lehren ein trügerisches Bild altpythagoreischer Lehre zu erzeugen.
Keine Spur auch des Romans von untergegangenen und geretteten
Aufzeichnungen, kein Versuch zu einer pythagoreischen Maske.
Und noch weniger ist es möglich, mit dem Zeitansatz über die
neupythagoreische Schriftenfälschung hinaus bis zu jener Spätzeit
hinabzugehen, wo dann der aller geschichtlichen Kritik bare
Mischmasch wiederum in eigenem Namen produziert wird, wie bei
den Apollonius, Moderatus usw. Dem steht nicht nur das Fehlen
des stoischen Einschlags entgegen, sondern besonders eben der
gute Wille zu geschichtlichem Sehen und das Bewußtsein von einer
historischen Entwicklung seines eklektischen Systems, ein Be-
wußtsein und ein Wille, die der Verfasser klärlich hat, so irrig
auch die meisten seiner geschichtlichen Überzeugungen sein
mögen* 1. Daß freilich auch er schon durch eine bestimmte Zahl
untergeschobener Pythagorea beeinflußt war, ist selbstverständ-
lich. Es müssen diejenigen sein, die nach Diog. 8, 7 Heraclides
Lembus aufzählte und die in der Zeit zwischen Callimachus’
Pinakes (die wohl nur von dem ιερός λόγος wußten) bis Philo-
metor in die alexandrinische Bibliothek gelangt waren; vgl.
Diels, Arch. f. Geschichte d. Philos. 3, 1890, 452. Man möchte
z. B. an περί εύσεβείας neben dem ιερός λόγος bei so aus-
gesprochen religiösen Wendungen denken, wie 439 a 3 ff., die
wir noch kennen lernen werden. Nicht eingewirkt hat auf
den Anonymus, soviel man sehen kann, die törichte Trilogie
παιδευτικόν πολιτικόν φυσικόν, deren Wesen Diels erläutert
und einem sehr niedrigstehenden Fälscher des dritten oder
zweiten Jahrhunderts zugewiesen hat. Wir befinden uns bei
unserem Peripatetiker etwa in der gleichen Sphäre, wie
beim Verfasser der Großen Ethik, wenn dieser von Pythagoras
γάρου und ähnlich: 438b 33, 439a 20. 25. Die Fälle 439a 32 und 440a 27
liegen anders. Pythagoras kurzerhand für eine Lehrmeinung erscheint nur
439 a 38, also nur vereinzelt, was in der neupythagoreischen Literatur dann
ganz geläufig ist.
1 Natürlich fehlt auch ganz die Verzerrung des geschichtlichen Ver-
hältnisses durch die späteren Pythagoreer, wie sie Porphyrius berichtet
(vit. Pyth. 53): τον Πλάτωνα και Αριστοτέλη Σπεύσιππόν τε καί Αριστό-
ξενον καί Ξενοκράτη, ώς φασιν οί Πυθαγόρειοι, τά μέν κάρπιμα σφετερίσασθαι
διά βραχείας επισκευής, τά δ’ επιπόλαια καί ελαφρά καί όσα προς διασκευήν καί
χλευασμόν του διδασκαλείου ύπό των βασκάνως ύστερον συκοφαντούντων προβάλλεται
συναγαγεΐν καί ώς ί'δια τής αίρέσεως καταχοορίσαι.
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sammenweben von platonischen, aristotelischen und stoischen
Lehren ein trügerisches Bild altpythagoreischer Lehre zu erzeugen.
Keine Spur auch des Romans von untergegangenen und geretteten
Aufzeichnungen, kein Versuch zu einer pythagoreischen Maske.
Und noch weniger ist es möglich, mit dem Zeitansatz über die
neupythagoreische Schriftenfälschung hinaus bis zu jener Spätzeit
hinabzugehen, wo dann der aller geschichtlichen Kritik bare
Mischmasch wiederum in eigenem Namen produziert wird, wie bei
den Apollonius, Moderatus usw. Dem steht nicht nur das Fehlen
des stoischen Einschlags entgegen, sondern besonders eben der
gute Wille zu geschichtlichem Sehen und das Bewußtsein von einer
historischen Entwicklung seines eklektischen Systems, ein Be-
wußtsein und ein Wille, die der Verfasser klärlich hat, so irrig
auch die meisten seiner geschichtlichen Überzeugungen sein
mögen* 1. Daß freilich auch er schon durch eine bestimmte Zahl
untergeschobener Pythagorea beeinflußt war, ist selbstverständ-
lich. Es müssen diejenigen sein, die nach Diog. 8, 7 Heraclides
Lembus aufzählte und die in der Zeit zwischen Callimachus’
Pinakes (die wohl nur von dem ιερός λόγος wußten) bis Philo-
metor in die alexandrinische Bibliothek gelangt waren; vgl.
Diels, Arch. f. Geschichte d. Philos. 3, 1890, 452. Man möchte
z. B. an περί εύσεβείας neben dem ιερός λόγος bei so aus-
gesprochen religiösen Wendungen denken, wie 439 a 3 ff., die
wir noch kennen lernen werden. Nicht eingewirkt hat auf
den Anonymus, soviel man sehen kann, die törichte Trilogie
παιδευτικόν πολιτικόν φυσικόν, deren Wesen Diels erläutert
und einem sehr niedrigstehenden Fälscher des dritten oder
zweiten Jahrhunderts zugewiesen hat. Wir befinden uns bei
unserem Peripatetiker etwa in der gleichen Sphäre, wie
beim Verfasser der Großen Ethik, wenn dieser von Pythagoras
γάρου und ähnlich: 438b 33, 439a 20. 25. Die Fälle 439a 32 und 440a 27
liegen anders. Pythagoras kurzerhand für eine Lehrmeinung erscheint nur
439 a 38, also nur vereinzelt, was in der neupythagoreischen Literatur dann
ganz geläufig ist.
1 Natürlich fehlt auch ganz die Verzerrung des geschichtlichen Ver-
hältnisses durch die späteren Pythagoreer, wie sie Porphyrius berichtet
(vit. Pyth. 53): τον Πλάτωνα και Αριστοτέλη Σπεύσιππόν τε καί Αριστό-
ξενον καί Ξενοκράτη, ώς φασιν οί Πυθαγόρειοι, τά μέν κάρπιμα σφετερίσασθαι
διά βραχείας επισκευής, τά δ’ επιπόλαια καί ελαφρά καί όσα προς διασκευήν καί
χλευασμόν του διδασκαλείου ύπό των βασκάνως ύστερον συκοφαντούντων προβάλλεται
συναγαγεΐν καί ώς ί'δια τής αίρέσεως καταχοορίσαι.