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Otto Immisch:
als Begründer wissenschaftlicher Ethik zuversichtlicher spricht,,
als das Aristoteles selbst an die Hand gibt (1182 a 11; vgl. Metaph,
1078b 21 und Zeller 34, 2, 459). Zeller ist leider sehr ablehnend
gewesen gegen eine solche Art Pythagoreismus, der „älter sein
soll als der Neupythagoreismus“ (l5, 1, 296). Für eine sichere
Probe eben davon möchte ich unser Stück erweisen. Freilich ist
er so verflüchtigt und eklektisch weitherzig, daß ihn eben auch
ein Mann peripatetischen Bekenntnisses vertreten konnte. Das
gleichzeitige jüdische Peripatetikertum stellte jedesfalls höhere An-
forderungen an Umsetzung und Anpassung.
Und doch wäre es, glaube ich, ein Irrtum, wollte man damit
von einer anderen Seite her auf die verhältnismäßig geringe Be-
deutung zurückkommen, die nach Schwartz die Philosophie
überhaupt für einen Kopf wie Agatharchides gehabt hätte. Dem
steht entgegen die ausgesprochen religiöse Wendung, die sich hier
zeigt, dem Geiste des Hellenismus und seiner zunehmenden Orienta-
lisierung entsprechend, und das ernste Bestreben, die Philosophie
für viel mehr als nur ein Wissenssystem zu nehmen, für eine Welt-
anschauung. Hierin sehe ich wiederum eine gewisse geschichtliche
Bedeutung des Stückes, die nicht übertrieben werden soll, die aber
denn doch da ist: posidonischer Geist bereits vor Posidonius.
PInd gerade dem geographischen Forscher steht er wohl an, dieser
Versuch zu einem Weltbild, das den Menschen in den Kosmos
einordnet. An Posidonius und die Schrift περί κόσμου werden wir
mehr als einmal erinnert. Natürlich vermag und will unser Ver-
such das Verhältnis zu solchen und anderen Nachfolgern nicht er-
schöpfend darstellen. Uns muß zunächst die Fixierung der zu
wenig beachteten Urkunde genügen. Aber die gleiche Neigung
zu ένάργεια sowie zu anthropogeographischer Betrachtung be-
merken wir beim ersten Lesen, anderseits das gleiche Streben
nach einer Synthese von Plato und Aristoteles (die Jäger a. a. 0.
72 von Posidonius begründet werden läßt), desgleichen schon hier
und ganz unverkennbar das Bemühen, die Naturauffassung des
Aristoteles zur harmonischen Weltanschauung auszubauen (Jäger
92), das Verständnis endlich für den einheitlichen Zusammenhang
des Kosmos. Mir persönlich ist der Unbekannte (Agatharchides
also, wie ich überzeugt bin) noch viel lieber als Posidonius, dem er
übrigens auch in Fragen der Darstellungskunst nahe gestanden
haben dürfte. Denn es fehlt ihm der stoische (wenngleich dynami-
sche) Materialismus, und seine Religiosität ist erfreulicherweise
Otto Immisch:
als Begründer wissenschaftlicher Ethik zuversichtlicher spricht,,
als das Aristoteles selbst an die Hand gibt (1182 a 11; vgl. Metaph,
1078b 21 und Zeller 34, 2, 459). Zeller ist leider sehr ablehnend
gewesen gegen eine solche Art Pythagoreismus, der „älter sein
soll als der Neupythagoreismus“ (l5, 1, 296). Für eine sichere
Probe eben davon möchte ich unser Stück erweisen. Freilich ist
er so verflüchtigt und eklektisch weitherzig, daß ihn eben auch
ein Mann peripatetischen Bekenntnisses vertreten konnte. Das
gleichzeitige jüdische Peripatetikertum stellte jedesfalls höhere An-
forderungen an Umsetzung und Anpassung.
Und doch wäre es, glaube ich, ein Irrtum, wollte man damit
von einer anderen Seite her auf die verhältnismäßig geringe Be-
deutung zurückkommen, die nach Schwartz die Philosophie
überhaupt für einen Kopf wie Agatharchides gehabt hätte. Dem
steht entgegen die ausgesprochen religiöse Wendung, die sich hier
zeigt, dem Geiste des Hellenismus und seiner zunehmenden Orienta-
lisierung entsprechend, und das ernste Bestreben, die Philosophie
für viel mehr als nur ein Wissenssystem zu nehmen, für eine Welt-
anschauung. Hierin sehe ich wiederum eine gewisse geschichtliche
Bedeutung des Stückes, die nicht übertrieben werden soll, die aber
denn doch da ist: posidonischer Geist bereits vor Posidonius.
PInd gerade dem geographischen Forscher steht er wohl an, dieser
Versuch zu einem Weltbild, das den Menschen in den Kosmos
einordnet. An Posidonius und die Schrift περί κόσμου werden wir
mehr als einmal erinnert. Natürlich vermag und will unser Ver-
such das Verhältnis zu solchen und anderen Nachfolgern nicht er-
schöpfend darstellen. Uns muß zunächst die Fixierung der zu
wenig beachteten Urkunde genügen. Aber die gleiche Neigung
zu ένάργεια sowie zu anthropogeographischer Betrachtung be-
merken wir beim ersten Lesen, anderseits das gleiche Streben
nach einer Synthese von Plato und Aristoteles (die Jäger a. a. 0.
72 von Posidonius begründet werden läßt), desgleichen schon hier
und ganz unverkennbar das Bemühen, die Naturauffassung des
Aristoteles zur harmonischen Weltanschauung auszubauen (Jäger
92), das Verständnis endlich für den einheitlichen Zusammenhang
des Kosmos. Mir persönlich ist der Unbekannte (Agatharchides
also, wie ich überzeugt bin) noch viel lieber als Posidonius, dem er
übrigens auch in Fragen der Darstellungskunst nahe gestanden
haben dürfte. Denn es fehlt ihm der stoische (wenngleich dynami-
sche) Materialismus, und seine Religiosität ist erfreulicherweise