Studien über Rudolf von Ems.
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er als Lohn 29 ff., die gunst der edelen herzen, wie sein verehrter
Meister, der weise Gotfrid von Straßburg (Al. 3167 f.), die Sym-
pathie jener höheren Menschen, welche die feine höfische Gesit-
tung besitzen (hövescheit und edeles herzen art, Trist. 2260f.).
Dieses höfische Bildungsideal, die Blüte der mittelalterlichen welt-
lichen Kultur ist eine xoAoxxyaoHa, die harmonische Ausbildung
der Persönlichkeit, des inneren geistigen Wesens und der äußeren
Lebensformen1. Das Ergebnis ist die mhd. tugent in höfischem
Begriff: sittliche und gesellschaftliche Tüchtigkeit, Tugend und
zugleich gute Lebensart, deren Besitzer die tugentrichen sind
Al. 20645, die Grundlage dieser schönen höfischen Lebensführung
ist das Ebenmaß, diu mäze, sei es die platonische GoxppooövT) oder
die aristotelische psGOTTjp. Metaphysisch-religiös gewendet ist diese
Harmonie die Überwindung des kirchlichen Dualismus durch die
Vereinigung von Welt und Gott, vom Beharren in der gottgesetzten
Weltordnung und dem immerfort sich bemühenden Streben nach
höherem irdischen Dasein (Prolog zum 3. Buch 12953 —12957)2.
Sselde und edeler herzen gunst also erbittet der Dichter von
Gott, Glück und dessen Wirkung, das ist Anerkennung der Edeln,
auch Ansehen, Ehre, und das gleiche besagt die Formel sselde und
ere 20607. 650. Ehre, Ruhm gloria, ist nach der Philosophia
moralis eines der Güter, die das Glück, die soelde (im engeren Sinne,
das weltliche Glück, fortuna) verleiht, eines der bona fortunae
(Migne 171, 1044), und für die höfische Gesellschaft ist ere die
erstrebenswerteste Gabe des Glücks. Sselde und ere sind die beiden
1 Burdacii, Walther, S. 95 ff.; Roethe, Reinmar, S. 231 f. Über den
Begriff daz edele herze s. bes. Vogt, Der Bedeutungswandel des Wortes edel
S. 10 ff. u. S. 31 ff. Auch die Moralis philosophia stellt fest, daß der wahre
Adel, vera nobilitas, der ist, der den Geist mit guten Sitten schmückt: Nobilitas
enim est sola quae animum moribus ornat, nach Juvenal: Nobilitas (animi)
sola est atque unica virtus, Moralis philos., Mignel71, 1043B, dazul047 (Quod
nobilitas sit nulla ex pecunia). So teilt Gotfrid in der ‘moräliteit’ die mora-
lische Erziehung Isoldens durch Tristan in Bildung des Herzens (gemuot)
und des äußeren Benehmens (gebserde). Durch die Erziehung Tristans wurde
Isolde so wolgesite, schöne und reine gemuot, ir gebserde süeze unde guot 8028—30.
Hierzu s. bes. Vogt a. a. O.
2 In Tristans Unterricht ist das Got unde der werlde gevallen 8017 die
Grundlehre der moräliteit, s. Heinzel, Ztschr. f. d. österr. Gymn. 19 (1868),
S. 550. 553 und Kl. Sehr. S. 43. 48; Vogt a. a. O.; Ehrismann, Ztschr.
f. d. A. 49, 456. 56, 175f. 201. 213. Am Schluß der Lehren des Aristoteles
sagt Rudolf, des Meisters Ethicä habe solche Sitte gelehrt, womit ein sselic
man sich dieser Welt gehulden und geliehen könne, Zingerle, Die Quellen
des Alexander des Rudolf von Ems, S. 121.
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er als Lohn 29 ff., die gunst der edelen herzen, wie sein verehrter
Meister, der weise Gotfrid von Straßburg (Al. 3167 f.), die Sym-
pathie jener höheren Menschen, welche die feine höfische Gesit-
tung besitzen (hövescheit und edeles herzen art, Trist. 2260f.).
Dieses höfische Bildungsideal, die Blüte der mittelalterlichen welt-
lichen Kultur ist eine xoAoxxyaoHa, die harmonische Ausbildung
der Persönlichkeit, des inneren geistigen Wesens und der äußeren
Lebensformen1. Das Ergebnis ist die mhd. tugent in höfischem
Begriff: sittliche und gesellschaftliche Tüchtigkeit, Tugend und
zugleich gute Lebensart, deren Besitzer die tugentrichen sind
Al. 20645, die Grundlage dieser schönen höfischen Lebensführung
ist das Ebenmaß, diu mäze, sei es die platonische GoxppooövT) oder
die aristotelische psGOTTjp. Metaphysisch-religiös gewendet ist diese
Harmonie die Überwindung des kirchlichen Dualismus durch die
Vereinigung von Welt und Gott, vom Beharren in der gottgesetzten
Weltordnung und dem immerfort sich bemühenden Streben nach
höherem irdischen Dasein (Prolog zum 3. Buch 12953 —12957)2.
Sselde und edeler herzen gunst also erbittet der Dichter von
Gott, Glück und dessen Wirkung, das ist Anerkennung der Edeln,
auch Ansehen, Ehre, und das gleiche besagt die Formel sselde und
ere 20607. 650. Ehre, Ruhm gloria, ist nach der Philosophia
moralis eines der Güter, die das Glück, die soelde (im engeren Sinne,
das weltliche Glück, fortuna) verleiht, eines der bona fortunae
(Migne 171, 1044), und für die höfische Gesellschaft ist ere die
erstrebenswerteste Gabe des Glücks. Sselde und ere sind die beiden
1 Burdacii, Walther, S. 95 ff.; Roethe, Reinmar, S. 231 f. Über den
Begriff daz edele herze s. bes. Vogt, Der Bedeutungswandel des Wortes edel
S. 10 ff. u. S. 31 ff. Auch die Moralis philosophia stellt fest, daß der wahre
Adel, vera nobilitas, der ist, der den Geist mit guten Sitten schmückt: Nobilitas
enim est sola quae animum moribus ornat, nach Juvenal: Nobilitas (animi)
sola est atque unica virtus, Moralis philos., Mignel71, 1043B, dazul047 (Quod
nobilitas sit nulla ex pecunia). So teilt Gotfrid in der ‘moräliteit’ die mora-
lische Erziehung Isoldens durch Tristan in Bildung des Herzens (gemuot)
und des äußeren Benehmens (gebserde). Durch die Erziehung Tristans wurde
Isolde so wolgesite, schöne und reine gemuot, ir gebserde süeze unde guot 8028—30.
Hierzu s. bes. Vogt a. a. O.
2 In Tristans Unterricht ist das Got unde der werlde gevallen 8017 die
Grundlehre der moräliteit, s. Heinzel, Ztschr. f. d. österr. Gymn. 19 (1868),
S. 550. 553 und Kl. Sehr. S. 43. 48; Vogt a. a. O.; Ehrismann, Ztschr.
f. d. A. 49, 456. 56, 175f. 201. 213. Am Schluß der Lehren des Aristoteles
sagt Rudolf, des Meisters Ethicä habe solche Sitte gelehrt, womit ein sselic
man sich dieser Welt gehulden und geliehen könne, Zingerle, Die Quellen
des Alexander des Rudolf von Ems, S. 121.