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Gustav Ehrismann:
gebogen ist Wolframs Ausdrucksweise nach dessen eigenem Be-
kenntnis: min tiutsch ist etswä doch so krump Wilh. 237, 11, sie
wird also in Gegensatz gestellt zu sieht und bedeutet dem geraden
einfachen Ausdruck gegenüber den ausgeschweiften, verschnörkel-
ten, schwülstigen. Wilde ist so viel wie vremde (mit vremden Sprü-
chen) vom Gewöhnlichen abweichend, fremdartig, auffallend, selt-
sam, selten (wildiu wort , . selten ie me vernomen 3183—3185), der
entsprechende lateinische Terminus ist alienus, Gegensatz zu pro-
prius, bei Notker, der dafür § 52 (Piper 1, 672, 3 ff.) die Erklärung
gibt: Translata uerba et aliena ad ornatum pertinent. Nam dum
vilescunt propria, requiruntur aliena, ut eis splendida et illustris
efficiatur oratio, und später: In propriis simplex locutio est, in
alienis figurata locutio est (672, 15f.). Aliquando sunt propria,
quae quia non sunt ornata requiruntur aliena (672, 26 f.). Sprehe,
fein, zierlich, kunstvoll, kunstreich, ist die eigentliche Bezeichnung
für die Schmuckwörter der ornata oratio Claris coloribus picta,
und ähnlich wsehe. Für die vermittelnde Stellung, die Rudolf
gegenüber den beiden rivalisierenden Meistern einnimmt, ist seine
Einschätzung des Gehaltes der Dichtung Wolframs bezeichnend:
im Gegensatz zu Gotfrid, der den vindsere wilder msere unter die
Gaukler weist1, rühmt er Wolframs wilde aventiure, da er mit
ihnen die Kunst wohl gefördert und trefflichen Unterhaltungsstoff
(.kurzewile) beigesteuert habe.
Aber den höchsten Preis zollt er Gotfrid. Eingehend und
mit besonderer Verehrung verweilt er bei ihm. Zur Charakterisi-
rung seiner Formensprache häuft er die auszeichnendsten Kunst-
wörter. In Gotfridschen Wendungen malt er den poesievollen und
das Innere erhebenden Gedankengehalt desTristan aus, in seiner
Bewunderung aufsteigend bis zu den höchsten Werten, die ein
Dichter erringen kann: die Gunst der Leser, ja selbst die Gunst
von Gott. Durch ein umfangreiches Register technischer Ausdrücke
wird Gotfrids Sprache bestimmt, aber die Aufzählung ist nicht
eine planlose Häufung, sondern die einzelnen Bezeichnungen haben
ihre bestimmte rhetorische Bedeutung. Zu den schon für Hart-
mann oder Wolfram gebrauchten Kennzeichen sieht, spaehe, guot,
wilde, süeze, wsehe (3143—3145) kommen noch reht (3143), das etwa
1 Spsehe, wilde, fremde sind die echten Kunstwörter für die geblümte
Rede, s. Ehrismann, Beitr. a. a. 0., Mordhorst bes. S. 78-—82. Zu wilde
vgl. afrz. sauvage, Singer, Wolframs Stil, S. 10, Aufsätze und Vorträge, S. 171.
Gustav Ehrismann:
gebogen ist Wolframs Ausdrucksweise nach dessen eigenem Be-
kenntnis: min tiutsch ist etswä doch so krump Wilh. 237, 11, sie
wird also in Gegensatz gestellt zu sieht und bedeutet dem geraden
einfachen Ausdruck gegenüber den ausgeschweiften, verschnörkel-
ten, schwülstigen. Wilde ist so viel wie vremde (mit vremden Sprü-
chen) vom Gewöhnlichen abweichend, fremdartig, auffallend, selt-
sam, selten (wildiu wort , . selten ie me vernomen 3183—3185), der
entsprechende lateinische Terminus ist alienus, Gegensatz zu pro-
prius, bei Notker, der dafür § 52 (Piper 1, 672, 3 ff.) die Erklärung
gibt: Translata uerba et aliena ad ornatum pertinent. Nam dum
vilescunt propria, requiruntur aliena, ut eis splendida et illustris
efficiatur oratio, und später: In propriis simplex locutio est, in
alienis figurata locutio est (672, 15f.). Aliquando sunt propria,
quae quia non sunt ornata requiruntur aliena (672, 26 f.). Sprehe,
fein, zierlich, kunstvoll, kunstreich, ist die eigentliche Bezeichnung
für die Schmuckwörter der ornata oratio Claris coloribus picta,
und ähnlich wsehe. Für die vermittelnde Stellung, die Rudolf
gegenüber den beiden rivalisierenden Meistern einnimmt, ist seine
Einschätzung des Gehaltes der Dichtung Wolframs bezeichnend:
im Gegensatz zu Gotfrid, der den vindsere wilder msere unter die
Gaukler weist1, rühmt er Wolframs wilde aventiure, da er mit
ihnen die Kunst wohl gefördert und trefflichen Unterhaltungsstoff
(.kurzewile) beigesteuert habe.
Aber den höchsten Preis zollt er Gotfrid. Eingehend und
mit besonderer Verehrung verweilt er bei ihm. Zur Charakterisi-
rung seiner Formensprache häuft er die auszeichnendsten Kunst-
wörter. In Gotfridschen Wendungen malt er den poesievollen und
das Innere erhebenden Gedankengehalt desTristan aus, in seiner
Bewunderung aufsteigend bis zu den höchsten Werten, die ein
Dichter erringen kann: die Gunst der Leser, ja selbst die Gunst
von Gott. Durch ein umfangreiches Register technischer Ausdrücke
wird Gotfrids Sprache bestimmt, aber die Aufzählung ist nicht
eine planlose Häufung, sondern die einzelnen Bezeichnungen haben
ihre bestimmte rhetorische Bedeutung. Zu den schon für Hart-
mann oder Wolfram gebrauchten Kennzeichen sieht, spaehe, guot,
wilde, süeze, wsehe (3143—3145) kommen noch reht (3143), das etwa
1 Spsehe, wilde, fremde sind die echten Kunstwörter für die geblümte
Rede, s. Ehrismann, Beitr. a. a. 0., Mordhorst bes. S. 78-—82. Zu wilde
vgl. afrz. sauvage, Singer, Wolframs Stil, S. 10, Aufsätze und Vorträge, S. 171.