Studien über Rudolf von Ems
41
Gotfrid geht in seinem Prolog auf das Thema von der Kritik
näher ein und betrachtet es von dem Grundsatz aus, daß man
derjenigen, welche der Welt etwas Gutes tun1, mit Wohlwollen
gedenken soll, wobei er rhetorisch das Schlagwort guot betont.
Diese Forderung hat schon Augustin gestellt; der geistliche Redner
behandelt gute Dinge, deshalb strebt er auch darnach mit willi-
gem Herzen gehört zu werden: Agit itaque noster iste eloquens,
cum et justa et sancta et bona dicit . . agit ergo quantum potest
cum ista dicit, ut intelligenter, ut libenter, ut obedienter audiatur,
De doctrina Christ. IV, 15; vgl. ebenda Kap. 30: der Redner ,soll
Gott bitten, daß er ihm eine gute Rede auf die Zunge lege (ser-
monem bonum) . . . und daß die Zuhörer sie gut aufnehmen (ut
bene proferant et illi ad quos proferunt sumant). Notker über-
setzt ut faciat benivolos mit taz si in güotomo sin § 102 (Piper 1,650).
Mit der Wendung an das Publikum verbinden die Redner
oder Dichter oft eine Entschuldigung wegen ihrer mangelhaften
dichterischen Fähigkeit (Ritter S. 49ff.). Die Excusatio ist in
der mittelalterlichen Rhetorik vorgesehen, denn ein Prolog kann
den Zweck verfolgen, den Verfasser gegenüber dem Publikum ent-
weder zu entschuldigen, oder zu empfehlen: Est autem omnis
prologus aut apollogeticus aut commendaticius, vel enim se excusat
aut commendat, Conradus Idirs. S. 24. Eine Steigerung der Ex-
cusatio ist die Bezeugung der humilitas, die ihre eigentliche Stelle
in den religiösen Prologen hat (Ritter S. 15ff.), denn diese strenge
Form der Selbstverkleinerung ist begründet in dem mönchischen
Demutsgefühl. Principium disciplinae humilitas est lautet die
Grundbedingung für den Lernenden, für den Studierenden der
Wissenschaft, also überhaupt für den Gelehrten und Künstler
(Hugo von S. Victor, Erud. did. IV, 14, Migne 176, 773G), und
Alanus fordert vom geistlichen Redner: praedicator debet captare
benevolentiam auditorum a propria persona per humilitatem (Migne
210, 113 D). Im Grunde geht allerdings die demütige Bitte auch
auf die antike Rhetorik zurück, vgl. Cicero, De inventione I, 16.
Benivolentia . . . comparatur a nostra (persona), si prece et ob-
secratione humili ac supplici utemur, darnach Alcuin, Migne 101,
930 A.
1 Aliquid boni efficere, Conradus Hirs., S. 76; Mit kunst wol luon Bur-
dach, Reinmar, S. 31.
2 In guotemo sin ist auch der Grundgedanke des Eingangs von Gotfrids
Tristan: GecLeehte man ir ze guote niht.
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Gotfrid geht in seinem Prolog auf das Thema von der Kritik
näher ein und betrachtet es von dem Grundsatz aus, daß man
derjenigen, welche der Welt etwas Gutes tun1, mit Wohlwollen
gedenken soll, wobei er rhetorisch das Schlagwort guot betont.
Diese Forderung hat schon Augustin gestellt; der geistliche Redner
behandelt gute Dinge, deshalb strebt er auch darnach mit willi-
gem Herzen gehört zu werden: Agit itaque noster iste eloquens,
cum et justa et sancta et bona dicit . . agit ergo quantum potest
cum ista dicit, ut intelligenter, ut libenter, ut obedienter audiatur,
De doctrina Christ. IV, 15; vgl. ebenda Kap. 30: der Redner ,soll
Gott bitten, daß er ihm eine gute Rede auf die Zunge lege (ser-
monem bonum) . . . und daß die Zuhörer sie gut aufnehmen (ut
bene proferant et illi ad quos proferunt sumant). Notker über-
setzt ut faciat benivolos mit taz si in güotomo sin § 102 (Piper 1,650).
Mit der Wendung an das Publikum verbinden die Redner
oder Dichter oft eine Entschuldigung wegen ihrer mangelhaften
dichterischen Fähigkeit (Ritter S. 49ff.). Die Excusatio ist in
der mittelalterlichen Rhetorik vorgesehen, denn ein Prolog kann
den Zweck verfolgen, den Verfasser gegenüber dem Publikum ent-
weder zu entschuldigen, oder zu empfehlen: Est autem omnis
prologus aut apollogeticus aut commendaticius, vel enim se excusat
aut commendat, Conradus Idirs. S. 24. Eine Steigerung der Ex-
cusatio ist die Bezeugung der humilitas, die ihre eigentliche Stelle
in den religiösen Prologen hat (Ritter S. 15ff.), denn diese strenge
Form der Selbstverkleinerung ist begründet in dem mönchischen
Demutsgefühl. Principium disciplinae humilitas est lautet die
Grundbedingung für den Lernenden, für den Studierenden der
Wissenschaft, also überhaupt für den Gelehrten und Künstler
(Hugo von S. Victor, Erud. did. IV, 14, Migne 176, 773G), und
Alanus fordert vom geistlichen Redner: praedicator debet captare
benevolentiam auditorum a propria persona per humilitatem (Migne
210, 113 D). Im Grunde geht allerdings die demütige Bitte auch
auf die antike Rhetorik zurück, vgl. Cicero, De inventione I, 16.
Benivolentia . . . comparatur a nostra (persona), si prece et ob-
secratione humili ac supplici utemur, darnach Alcuin, Migne 101,
930 A.
1 Aliquid boni efficere, Conradus Hirs., S. 76; Mit kunst wol luon Bur-
dach, Reinmar, S. 31.
2 In guotemo sin ist auch der Grundgedanke des Eingangs von Gotfrids
Tristan: GecLeehte man ir ze guote niht.