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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0083
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Studien über Rudolf von Ems.

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nischen Schriftsteller kannte, getan und den Willehalm, hätte er
schon bestanden, mitaufgezählt haben. Umgekehrt aber, im Wille-
halm brauchte er den Alexander nicht mitzunennen, wenn dieser
nicht vollendet (bezw. nicht veröffentlicht) war1, da es ihm hier
in der Hauptsache nur darauf ankam2, seine Person festzustellen
und durch Hinweis auf seine verbreiteten Werke zu bezeugen,
daß er jener bekannte Rudolf sei, der die Gedichte vom g. Ger-
hard und von Josaphat verfaßt habe. Aus demselben Grunde
konnte er hier von der Erwähnung des offenbar nur wenig ge-
lesenen Eustachius absehen3.
Diese literarisch-historischen Erwägungen bezüglich der Selbst-
zitate Rudolfs also sprechen für den zeitlichen Vorgang des
Alexander vor dem Willehalm. Zu dem gleichen Ergebnis führen
textkritische Beobachtungen. Seine früheren Dichtungen zitiert
Rudolf im Alexander und im Willehalm in der Weise, daß er als
Thema ihres Inhalts einen charakteristischen Satz des Textes
wörtlich anführt4: Alex. 3281 f. der guote perhart löste von grözem
untroste = Willeh. 15633 f. ist entnommen aus dem g. Gerh. 3299 f.:
wie ich die von untroste mit mtnem guote erlöste; Alex. 3285 f. der
gotes genäde koufte, dö er sich gote toufte stammt aus Barl. 172, 29 f.
mich gotes gnaden koufest, daz du mich gote toufest; und wie sich
von der heidenschaft bekerte nach der gotes kraft Al. 3287 f. = Willeh.
15637f. ist = Barl. 204, 29f. dine gotliche kraft und loese in
von der heidenschaft (der Reim Josaphat: rät Al. 3283 f. = Willeh.
15639f. ist sehr häufig im Barlaam). Die Gleichungen zwischen
1 Vgl. Junk a. a. O.; Leitzmann, Ztschr. f. d. Phil. 43, 309f.; Herchen-
bach S 163 ; Busse S. 39f. Ein sicher beglaubigter Fall von Unter-
brechung oder Abbruch eines Werkes durch Aufnahme eines andern liegt bei
Hugo v. Trimberg vor, Renner a. a. O.
2 Die Absicht, seine bisherigen Werke ins Gedächtnis des Publikums
zurückzurufen und zu empfehlen, mag dabei mitgesprochen haben, vgl. für
Honorius Aug. Endres a. a. O., S. lOf. 72f. Das gleiche Problem hinsicht-
lich der Nichterwähnung von Schriften im zusammenfassenden Rückblick
eines Autors besteht auch für Honorius, s. Endres S. 72f.
3 Das Kernmotiv des Eustachius ist das gleiche wie das des g. Gerhard:
Trennung und Wiedervereinigung sich nahestehender Menschen, das Thema
des spätgriechischen Romans.
4 In den lateinischen Literaturgeschichten des MA., z. B. in Hugos
v. Trimberg Registrum, werden die vorkommenden Werke ebenfalls durch
Anführung wörtlicher Zitate und zwar der Anfangszeilen gekennzeichnet;
vgl. auch den Facetus, der „Cum nihil utilius“ genannt wird zum Unterschied
von dem Facetus —- „Moribus docet“, beidemal nach den Anfangsworten.
 
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