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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0089
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Studien über Rudolf von Ems.

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mit dem Tristan: wenn die sselde (welche Gunst schafft) das künst-
lerische Vermögen schmückt (florieret), dann wird es zu hoher
Meisterschaft veredelt (sich edeln vgl. Trist. 174), = Trist. 21—28:
Ehre und Ruhm (Anerkennung) bringen die Kunst hervor, die
Kunst blüht, wo sie mit Ruhm ausgezeichnet (geblüemet) ist. Be-
zeichnend aber für die verschiedene Weltanschauung, die in den
beiden Gedichten liegt, sind gleich die ersten Worte: Rudolf leitet
die Kunst von Gott ab (von gote Al. 2), Gotfrid dichtet für die
Welt (der werlde Trist. 2). Ebenso eröffnen gleich die Eingangs-
verse im Willehalm die vom Alexander abweichende ethische
Richtung: in dem weltlichen Liebesroman steht nicht Gott am
Anfang als Begründer der Sselde, sondern das edele herze (Wh. 2),
das die Tugenden (weltliche Sittlichkeit) lehrt. — Weiterhin ent-
sprechen sich Al. 29—40, auf sselde und edeler herzen gunst arbeiten,
und Trist. 45—49; Al. 41—61, Lebenslauf des Helden, = Trist.
125 — 130 (Trist. 49—124 hat keine Entsprechung, da der Inhalt
dem Stoff des Alexander fern steht); Al. 62—90, 103 — 106, Quelle
(vgl. 12961 ff. 13051 ff. 15804ff.), = Trist. 155(131) —166; Al. 91
bis 102, Empfehlung des Gedichtes, sein Gehalt, = Trist. 71 ff.
167 ff. Beide Prologe Rudolfs also bilden eine fortlaufende Reihe
vergleichbarer Stellen, wobei zudem noch der Tristan als Kor-
rektiv beigezogen werden kann. Doch scheinen mir auch diese
vielen Vergleichspunkte nicht auszureichen, um auf das zeitliche
Verhältnis zwischen Alexander und Willehalm zwingende Schlüsse
ziehen zu können. Jedenfalls aber kündigen auch gleich die ein-
leitenden Gedanken und ihre Fassung die verschiedene geistige
Höhenlage der beiden Romane an und legen die Grundfrage der
Chronologie nahe: Ist der Dichter von der feineren Art in die
gröbere, von dem kunstvoll durchdachten, jedes Wort berechnen-
den Stil des Alexander in die oberflächlichere, rauhere und unge-
lenke Ausdrucksweise des Willehalm übergegangen, oder hat er
den umgekehrten Weg gemacht.
Auf die Zeitfolge Alexander-Willehalm weist nun noch eine
Reihe positiver auf exaktem Wege zu erschließender Merkmale
in den beiden Dichterkatalogen. Als methodisches Hilfsmittel
wird auch hier der Gegensatz zwischen dem Ursprünglichen und
der Variierung zweckmäßig angewendet werden können. Darnach
wird sich die Fassung der literarhistorischen Stelle des Alexander
für älter erweisen als die des Willehalm, denn jene steht ihrem
Vorbilde, der Schwertleite in Gotfrids Tristan, näher als diese.
 
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