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Gustav Ehrismann:
nicht nur ein Romanheld gewesen, sondern ein auserlesenes Bei-
spiel für die wunderbaren Wege, die das Schicksal in einem
Menschenleben einschlagen kann: es wird an ihm gezeigt die Macht
des Glücks und die Vergänglichkeit des Irdischen. Rudolf hat in
den Prologen seiner Alexanderdichtung das Glücksproblem als
geistige Idee dieses Heldenlebens erfaßt, Prol. zum 1. Buch 1 ff.
29ff., Schluß des 5. Buches 20545ff. (Junk S. 455f.) und Prol.
zum 6. Buch 20573 ff., s. auch 86 8083, und er löst es in seiner
Weise, d. h. er verbindet die antik-weltliche Vorstellung von der
Fortuna, der Sselde, mit der christlichen Gottesidee: Von Gott
kommt das Glück, das ist der einleitende Gedanke des Gedichtes
und wird wiederholt in dem letzten Prolog.
Gott ist der Schöpfer der irdischen Glückseligkeit: damit hat
Rudolf auch in dem antiken Stoff des Alexander seine christliche
Anschauung von dem Verhältnis von Gott und Welt angedeutet.
Die Lebensaufgabe des Laien aber hat er nirgends so klar formu-
liert als in den schönen Worten, in denen er die Weisheitslehre
Freidanks zusammenfaßt: die weit erkennen, minnen got, des libes
und der sele heil, weltlicher eren teil in dirre weite kurzen tagen lerte
künstliche bejagen der sinneriche Vrtgedanc 3229 ff. (vgl. Freid. 31,
18 f. 93, 22 f.). Es ist die Anerkennung auch der weltlichen Werte,
auch sie haben sittliche Berechtigung, uns ziemt nicht nur die
Ehrfurcht vor dem was über uns ist, sondern auch vor uns selbst.
Das ist die Weltwertung des ritterlichen Humanismus1. Und die-
selbe Ausgleichung des ethischen Dualismus von Welt und Gott,
Leib und Seele drücken die Verse 12953 — 12956 aus: an Juden,
Christen und Heiden, die vor uns dahin gegangen sind, können wir
ein Beispiel nehmen, wie rein sie die ihnen in der Weltordnung
angewiesene Aufgabe erfüllten und doch den Preis der Welt er-
langten. Hier bekennt sich der Dichter zugleich noch zu einer
andern Auswirkung der Humanität, zur Toleranz, wie schon im
g. Gerhard, wo der christliche und der heidnische Kaufmann
Freunde werden. Diese freie Sittlichkeit hat er gemein mit seinem
Meister Wolfram, und wieder erinnert sie uns an Lessings Nathan.
Gegenüber dem ,,wunderlichen“ Alexander, einem der größten
Helden der Weltliteratur (41—90), ist Willehalm nur das Abbild
einer beschränkten Gesellschaftsklasse, der ritterlich-höfischen Ari-
stokratie, der werden Hute, der ere gernden, deren sittliche Formen,
Tapferkeit und Minne, er zur Anschauung bringt (höhiu manheit-
1 Vgl. Ehrismann, Ztschr. f. d. A. 49, 454—-456. 56, 175f.
Gustav Ehrismann:
nicht nur ein Romanheld gewesen, sondern ein auserlesenes Bei-
spiel für die wunderbaren Wege, die das Schicksal in einem
Menschenleben einschlagen kann: es wird an ihm gezeigt die Macht
des Glücks und die Vergänglichkeit des Irdischen. Rudolf hat in
den Prologen seiner Alexanderdichtung das Glücksproblem als
geistige Idee dieses Heldenlebens erfaßt, Prol. zum 1. Buch 1 ff.
29ff., Schluß des 5. Buches 20545ff. (Junk S. 455f.) und Prol.
zum 6. Buch 20573 ff., s. auch 86 8083, und er löst es in seiner
Weise, d. h. er verbindet die antik-weltliche Vorstellung von der
Fortuna, der Sselde, mit der christlichen Gottesidee: Von Gott
kommt das Glück, das ist der einleitende Gedanke des Gedichtes
und wird wiederholt in dem letzten Prolog.
Gott ist der Schöpfer der irdischen Glückseligkeit: damit hat
Rudolf auch in dem antiken Stoff des Alexander seine christliche
Anschauung von dem Verhältnis von Gott und Welt angedeutet.
Die Lebensaufgabe des Laien aber hat er nirgends so klar formu-
liert als in den schönen Worten, in denen er die Weisheitslehre
Freidanks zusammenfaßt: die weit erkennen, minnen got, des libes
und der sele heil, weltlicher eren teil in dirre weite kurzen tagen lerte
künstliche bejagen der sinneriche Vrtgedanc 3229 ff. (vgl. Freid. 31,
18 f. 93, 22 f.). Es ist die Anerkennung auch der weltlichen Werte,
auch sie haben sittliche Berechtigung, uns ziemt nicht nur die
Ehrfurcht vor dem was über uns ist, sondern auch vor uns selbst.
Das ist die Weltwertung des ritterlichen Humanismus1. Und die-
selbe Ausgleichung des ethischen Dualismus von Welt und Gott,
Leib und Seele drücken die Verse 12953 — 12956 aus: an Juden,
Christen und Heiden, die vor uns dahin gegangen sind, können wir
ein Beispiel nehmen, wie rein sie die ihnen in der Weltordnung
angewiesene Aufgabe erfüllten und doch den Preis der Welt er-
langten. Hier bekennt sich der Dichter zugleich noch zu einer
andern Auswirkung der Humanität, zur Toleranz, wie schon im
g. Gerhard, wo der christliche und der heidnische Kaufmann
Freunde werden. Diese freie Sittlichkeit hat er gemein mit seinem
Meister Wolfram, und wieder erinnert sie uns an Lessings Nathan.
Gegenüber dem ,,wunderlichen“ Alexander, einem der größten
Helden der Weltliteratur (41—90), ist Willehalm nur das Abbild
einer beschränkten Gesellschaftsklasse, der ritterlich-höfischen Ari-
stokratie, der werden Hute, der ere gernden, deren sittliche Formen,
Tapferkeit und Minne, er zur Anschauung bringt (höhiu manheit-
1 Vgl. Ehrismann, Ztschr. f. d. A. 49, 454—-456. 56, 175f.