112
Gustav Ehrismann:
durch seine Gnade der Bewirker alles Guten, auch allen irdischen
Glücks. Der auf historischem Grunde aufgebaute Abenteuer-
roman endet als ein höfisches Lehrgedicht, an Willehalm
wird das Ideal eines Regenten dargestellt1, teils in Form
unmittelbarer Fürstenregeln teils durch Beschreibung seiner
Lebensführung: 1. Fürstenregeln 14951—14980: Willehalm tritt die
Regierung von Brabant an mit der Absicht, Friede und Gerech-
tigkeit (pax et justitia) zu pflegen. Er hat guot und ere von seinem
Pflegevater Jofrit erhalten, Gott vor Augen zu haben lehrt ihn
bei seiner Einsetzung als Herzog sein Schwiegervater, der König
von England. — 2. Lebensführung 15057 — 15069: Als Herzog von
Brabant erwirbt Willehalm die weltlichen Güter (bona fortunae)
wirde, Zop, ere, der weite hoehesten pris. — 3. 15085 — 15216: Jofrit,
Willehalms Pflegevater, erteilt dreierlei Lehren: a) 15113 — 15136,
Amelie, der Gemahlin Willehalms, gibt er weibliche und eheliche
Vorschriften, dann das Grundgesetz des Glaubens: Gott lieben
(das erste Gebot), Gott verleiht der weite hoehesten pris und zum
Lohn die Himmelskrone; die Lehre für die Fürstin enthält also
die Laienmoral: Vereinigung von der höchsten weltlichen Glück-
seligkeit mit Gott, in Hinsicht auf jenseitige Belohnung, b) 15161
bis 15200, Willehalm erhält eine Fürstenlehre: Sorge für die Unter-
tanen 15161—15173, Gerechtigkeit 15174 — 15187, Gott lieben
15178, Gottes Huld sich ergeben und des Endes gedenken 15188
bis 15195, Sorge um sein Weib 15196—15200. c) 15201 — 15216,
Belehrung der Untertanen. — 4. 15226 — 15250 Lebensführung:
Willehalm als Regent erlangt höhen pris, übt zu allen Stunden Minne-
dienst und Ritterschaft (die Ideale der höfischen Gesellschaft). -
5. 15305 — 15318 WVitere Fürstenlehren des Königs von Eng-
land bei der Einsetzung Willehalms zu seinem Nachfolger. —
6. 15421—15484 Lebensführung Willehalms als Königs von Eng-
land: Ideale Ehe 15426—15451, Willehalm als Regent 15452 bis
15484. — Die Fürstenspiegel2 bilden einen besonderen Zweig der
didaktischen Literatur des Mittelalters und sind auch in den mhd.
1 Das Idealbild eines Ritters ist 12549'—12564 u. 12581—12598 geschil-
dert. Das Muster eines vollendeten Weltmannes hat Hartmann in seinem
armen Heinrich entworfen (v. 32—'74), ein Typus, der dann späteren Dichtern
vorschwebte. Gotfrid ahmt ihn mit seinem Riwalin nach (v. 243-—258) und
auch Rudolfs Willehalm trägt Züge von ihm 12549—-12552; vgl. ferner
g. Gerhard 1636. 4504, Barl. 7, 8.
2 Vgl. Burdach, Zentralblatt für BibliotheksAvesen 8, 440ff.; Ehris-
mann, Ztschr. f. d. A. 56, 158ff.
Gustav Ehrismann:
durch seine Gnade der Bewirker alles Guten, auch allen irdischen
Glücks. Der auf historischem Grunde aufgebaute Abenteuer-
roman endet als ein höfisches Lehrgedicht, an Willehalm
wird das Ideal eines Regenten dargestellt1, teils in Form
unmittelbarer Fürstenregeln teils durch Beschreibung seiner
Lebensführung: 1. Fürstenregeln 14951—14980: Willehalm tritt die
Regierung von Brabant an mit der Absicht, Friede und Gerech-
tigkeit (pax et justitia) zu pflegen. Er hat guot und ere von seinem
Pflegevater Jofrit erhalten, Gott vor Augen zu haben lehrt ihn
bei seiner Einsetzung als Herzog sein Schwiegervater, der König
von England. — 2. Lebensführung 15057 — 15069: Als Herzog von
Brabant erwirbt Willehalm die weltlichen Güter (bona fortunae)
wirde, Zop, ere, der weite hoehesten pris. — 3. 15085 — 15216: Jofrit,
Willehalms Pflegevater, erteilt dreierlei Lehren: a) 15113 — 15136,
Amelie, der Gemahlin Willehalms, gibt er weibliche und eheliche
Vorschriften, dann das Grundgesetz des Glaubens: Gott lieben
(das erste Gebot), Gott verleiht der weite hoehesten pris und zum
Lohn die Himmelskrone; die Lehre für die Fürstin enthält also
die Laienmoral: Vereinigung von der höchsten weltlichen Glück-
seligkeit mit Gott, in Hinsicht auf jenseitige Belohnung, b) 15161
bis 15200, Willehalm erhält eine Fürstenlehre: Sorge für die Unter-
tanen 15161—15173, Gerechtigkeit 15174 — 15187, Gott lieben
15178, Gottes Huld sich ergeben und des Endes gedenken 15188
bis 15195, Sorge um sein Weib 15196—15200. c) 15201 — 15216,
Belehrung der Untertanen. — 4. 15226 — 15250 Lebensführung:
Willehalm als Regent erlangt höhen pris, übt zu allen Stunden Minne-
dienst und Ritterschaft (die Ideale der höfischen Gesellschaft). -
5. 15305 — 15318 WVitere Fürstenlehren des Königs von Eng-
land bei der Einsetzung Willehalms zu seinem Nachfolger. —
6. 15421—15484 Lebensführung Willehalms als Königs von Eng-
land: Ideale Ehe 15426—15451, Willehalm als Regent 15452 bis
15484. — Die Fürstenspiegel2 bilden einen besonderen Zweig der
didaktischen Literatur des Mittelalters und sind auch in den mhd.
1 Das Idealbild eines Ritters ist 12549'—12564 u. 12581—12598 geschil-
dert. Das Muster eines vollendeten Weltmannes hat Hartmann in seinem
armen Heinrich entworfen (v. 32—'74), ein Typus, der dann späteren Dichtern
vorschwebte. Gotfrid ahmt ihn mit seinem Riwalin nach (v. 243-—258) und
auch Rudolfs Willehalm trägt Züge von ihm 12549—-12552; vgl. ferner
g. Gerhard 1636. 4504, Barl. 7, 8.
2 Vgl. Burdach, Zentralblatt für BibliotheksAvesen 8, 440ff.; Ehris-
mann, Ztschr. f. d. A. 56, 158ff.