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Brie, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 3. Abhandlung): Exotismus der Sinne: eine Studie zur Psychologie der Romantik — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37770#0005
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5

I.
Mit der Romantik untrennbar verbunden ist die Erscheinung
des ennui; bis zum heutigen Tage ist das Gefühl der Unzufrieden-
heit mit sich und der Welt eines der Merkmale des romantisch
veranlagten Menschen geblieben. Seinen literarischen Ausdruck
fand der ennui zuerst bei Rousseau, entwickelte sich dann in Frank-
reich weiter über Chateaubriand, Gautier und Ste. Beuve hinaus und
erreichte in Deutschland einen seiner Höhepunkte in Goethes Werther,
in England in Lord Byrons Childe Harold und Manfred. Mit Rous-
seau begann auch als Begleiterscheinung des ennui die Hiirwendung
nach der Träumerei, d. h. nach der ungewöhnlichen Empfindung
hin. Der weitere Verlauf der Romantik brachte die völlige Freiheit
auf dem Gebiet der Emotionen. Unzufrieden mit der Gegenwart
und ihrer allzu verstandesgemäßen und „unnatürlichen“ Kultur,
wendet sich ein Teil der Romantiker dem Natürlichen und Primi-
tiven zu, ein anderer dem Wunderbaren und Übernatürlichen. Der
weitere Verlauf der Romantik brachte die zweite Richtung in die
Höhe, so daß man, vor allem in England, das Wesen der Romantik
geradezu in dem Hang zum Wunderbaren gesucht hat. Mit dem
ennui, der Freiheit der Empfindungen und dem Hang zum Wunder-
baren, ist nahe verbunden der Exotismus, nur daß Exotismus
keine so allgemein verbreitete Erscheinung ist, da er eine bestimmte
Stärke des Sinnenlebens und auch ein bestimmtes Maß von Bildung
voraussetzt. Daß der Exotismus aufs engste verknüpft ist mit den
anderen Seiten romantischer Veranlagung, ersehen wir schon daraus,
daß er sich in der Literatur der verschiedenen Länder ganz selb-
ständig als eine Sonderströmung innerhalb der Romantik entwickelt.
Besonders enge Beziehungen scheinen zwischen dem Hang zum
Wunderbaren und dem Exotismus zu bestehen, nur daß es sich
beim Exotismus nicht nur um die fast allen Romantikern eigen-
tümliche Sehnsucht von diesem Dasein hinweg, nach etwas Un-
gewöhnlichem, Phantastischem:, Märchenhaftem oder Übersinn-
lichem handelt, auch nicht um eine sentimentale Sehnsucht nach
 
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