Friedrich Brie:
Umgebung, wohl glaubt auch er zeitweilig im Orient die wirkliche,
seiner Veranlagung entsprechende Umgebung gefunden zu haben,
aber in Wahrheit ist er seiner ganzen Natur nach doch eingestellt
auf die Gegenwart und die ihn jeweils umgebenden Eindrücke.
Wohl reizen ihn gelegentlich Themen exotistischen Charakters
wie Sardanapal oder Tiberius — auch Manfred und Cain gehören
in mancher Hinsicht hierher —, aber gerade die Unsicherheit und
Halbheit, die bei der Bewältigung derartiger Themen sich regel-
mäßig bei ihm einstellt, ist das beste Zeugnis gegen seinen
Exotismus. Ein Beispiel anderer Art bietet Keats. Keats hat
eine ungeheure Phantasie, durch die er sich in eine Menge ver-
schiedener Welten versetzt fühlt und mit Hilfe deren er sich je
nach seinem gegenwärtigen Geisteszustand mit allen inöglichen
Personen und Sachen identifiziert, aber es fehlt die bestimmte
Richtung der Veranlagung, die erst, den Exotisten macht.
Aus dem Gefühl heraus, daß dieses Leben ihm Möglichkeiten
versagt, die in ihm schlummern, und daß diese Möglichkeiten
nicht bloß in der Welt der Phantasie, sondern schon in einer
etwas anders gearteten Wirklichkeit befriedigt werden könnten,
wendet sich der Exotist von seiner Zeit und ihren Zielen ab und
verherrlicht demgegenüber die Zeiten, Länder und Kulturen, von
denen er glaubt, daß sie den Bedürfnissen seiner Sinne mehr Be-
friedigung bieten, vor allem die Antike und den Orient, Von
dieser Empfindung, daß sein richtiger Platz in anderen Zeiten
oder an einem anderen Ort gewesen wäre, ist es nur ein kleiner
Schritt zu dem Gedanken, dem wir bei einer größeren Anzahl von
Exotisten begegnen, daß sie einst Bürger dieser Welten gewesen
sind und daher die Sehnsucht nach ihnen sich gewahrt haben.
Auch von anderen Wesen, die er ähnlich wie sich selbst als
Fremdlinge in diesem Zeitalter empfindet, behauptet er gern, daß
sie einst Bürger jener Welten gewesen sein müssen. Aus dem
Gesagten geht hervor, daß eine gewisse Ähnlichkeit besteht
zwischen dem Exotisten und dem Mystiker, der sich gleichfalls
aus dieser Welt hinwegsehnt nach einer höheren, wo er sich mit
der Gottheit vereint; nur daß es sich beim Exotisten nicht um
Visionen auf Grund aszetischer Selbstzucht handelt und nicht um
die Sehnsucht nach einer rein geistigen Welt, sondern um die
Sehnsucht nach einer Welt, die den Sinnen Befriedigung gewährt.
Eine wirkliche Verwandtschaft besteht dagegen zwischen dem
Exotisten und dem Ästheten, der durch sein Gefühl für das
Umgebung, wohl glaubt auch er zeitweilig im Orient die wirkliche,
seiner Veranlagung entsprechende Umgebung gefunden zu haben,
aber in Wahrheit ist er seiner ganzen Natur nach doch eingestellt
auf die Gegenwart und die ihn jeweils umgebenden Eindrücke.
Wohl reizen ihn gelegentlich Themen exotistischen Charakters
wie Sardanapal oder Tiberius — auch Manfred und Cain gehören
in mancher Hinsicht hierher —, aber gerade die Unsicherheit und
Halbheit, die bei der Bewältigung derartiger Themen sich regel-
mäßig bei ihm einstellt, ist das beste Zeugnis gegen seinen
Exotismus. Ein Beispiel anderer Art bietet Keats. Keats hat
eine ungeheure Phantasie, durch die er sich in eine Menge ver-
schiedener Welten versetzt fühlt und mit Hilfe deren er sich je
nach seinem gegenwärtigen Geisteszustand mit allen inöglichen
Personen und Sachen identifiziert, aber es fehlt die bestimmte
Richtung der Veranlagung, die erst, den Exotisten macht.
Aus dem Gefühl heraus, daß dieses Leben ihm Möglichkeiten
versagt, die in ihm schlummern, und daß diese Möglichkeiten
nicht bloß in der Welt der Phantasie, sondern schon in einer
etwas anders gearteten Wirklichkeit befriedigt werden könnten,
wendet sich der Exotist von seiner Zeit und ihren Zielen ab und
verherrlicht demgegenüber die Zeiten, Länder und Kulturen, von
denen er glaubt, daß sie den Bedürfnissen seiner Sinne mehr Be-
friedigung bieten, vor allem die Antike und den Orient, Von
dieser Empfindung, daß sein richtiger Platz in anderen Zeiten
oder an einem anderen Ort gewesen wäre, ist es nur ein kleiner
Schritt zu dem Gedanken, dem wir bei einer größeren Anzahl von
Exotisten begegnen, daß sie einst Bürger dieser Welten gewesen
sind und daher die Sehnsucht nach ihnen sich gewahrt haben.
Auch von anderen Wesen, die er ähnlich wie sich selbst als
Fremdlinge in diesem Zeitalter empfindet, behauptet er gern, daß
sie einst Bürger jener Welten gewesen sein müssen. Aus dem
Gesagten geht hervor, daß eine gewisse Ähnlichkeit besteht
zwischen dem Exotisten und dem Mystiker, der sich gleichfalls
aus dieser Welt hinwegsehnt nach einer höheren, wo er sich mit
der Gottheit vereint; nur daß es sich beim Exotisten nicht um
Visionen auf Grund aszetischer Selbstzucht handelt und nicht um
die Sehnsucht nach einer rein geistigen Welt, sondern um die
Sehnsucht nach einer Welt, die den Sinnen Befriedigung gewährt.
Eine wirkliche Verwandtschaft besteht dagegen zwischen dem
Exotisten und dem Ästheten, der durch sein Gefühl für das