Exotismüs der Sinne.
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ans, wo er mit Shakespeares Rosalinde und Celia, aber auch
mit Kleopatra, Messalina, Helena und Venus Callipyge Feste
feiert. Zehn Sonette auf Pasiphae, Omphale, Ariane, Medea,
Antiope, Andromeda, Helena, die Königin von Saba, Kleopatra
und Herodias finden .sich bereits in der ersten Fassung von
Les Exiles (1867); in Les Princesses (1874) kommen zehn weitere
Sonette auf Fürstinnen dieser Art hinzu, die nach seiner An-
sicht ont ete ä travers les äges le clesir et les del.ices cle tout le
gerne humain, und unter diesen zehn Semiramis, Messalina und
Lucretia Borgia, ln antik-heidnischer Art preist endlich auch der
Dichter in der Ballade pour une guerriere de marbre (1869) als
Heilmittel für unser krankes und trauriges Zeitalter den schönen
Busen und das Lächeln jener Marmorstatue, die einst vor Troja
glänzten.
Selbst ein Gelehrter wie Louis Menard (1822—1901), der
im Gegensatz zu dem Wunschbild aller bisher genannten Exo-
tisten das Altertum sich durch wissenschaftliche Arbeit er-
schlossen hatte, gehört durch den dauernden Gegensatz, in
dem er zur Gegenwart steht, und durch sein völliges Einleben
in die zweite Welt der Antike in die Reihe der Exotisten. Es
genügt, wenn wir in diesem Zusammenhänge etwa auf die Vor-
rede zu seinen Poemes131 verweisen, wo er die Antike der mo-
dernen Zeit, in der er nur Verfall sieht, gegenüberstellt, oder auf
ein Gedicht wie Hellas, in dem er das Verschwinden der alten
Götter beklagt. Bedeutete doch ihr Kultus Freude, Tanz, Gesang,
Wettkampf in der Arena, den Lorbeerkranz und die Gesundheit
des Herzens; aus unserem knechtischen Zeitalter möchte der
Dichter über zwei Jahrtausende hinweg zu den großen ge-
storbenen Nationen fliegen, die besser waren, als die jetzt
lebenden sind.
Mit dieser kurzen Bemerkung über Menard schließen wir
die Betrachtung fies französischen Exotisüms ab. Ein weiteres
Verfolgen des Exotismus von Juliette Lamber etwa mit ihren
„heidnischen“ Novellen Grecque (1878) 'und Paienne (1883)
bis zu Huysmans oder Anatole France hinauf würde im
wesentlichen nur zeigen, wie das Wunschbild, das die frü-
heren Exotisten aus dem Drang ihrer Sinne heraus mit Hilfe
ihrer Phantasie sich formten, mit der erweiterten Kenntnis
131 1. Ausgabe 1855; 2. Ausgabe 1863.
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ans, wo er mit Shakespeares Rosalinde und Celia, aber auch
mit Kleopatra, Messalina, Helena und Venus Callipyge Feste
feiert. Zehn Sonette auf Pasiphae, Omphale, Ariane, Medea,
Antiope, Andromeda, Helena, die Königin von Saba, Kleopatra
und Herodias finden .sich bereits in der ersten Fassung von
Les Exiles (1867); in Les Princesses (1874) kommen zehn weitere
Sonette auf Fürstinnen dieser Art hinzu, die nach seiner An-
sicht ont ete ä travers les äges le clesir et les del.ices cle tout le
gerne humain, und unter diesen zehn Semiramis, Messalina und
Lucretia Borgia, ln antik-heidnischer Art preist endlich auch der
Dichter in der Ballade pour une guerriere de marbre (1869) als
Heilmittel für unser krankes und trauriges Zeitalter den schönen
Busen und das Lächeln jener Marmorstatue, die einst vor Troja
glänzten.
Selbst ein Gelehrter wie Louis Menard (1822—1901), der
im Gegensatz zu dem Wunschbild aller bisher genannten Exo-
tisten das Altertum sich durch wissenschaftliche Arbeit er-
schlossen hatte, gehört durch den dauernden Gegensatz, in
dem er zur Gegenwart steht, und durch sein völliges Einleben
in die zweite Welt der Antike in die Reihe der Exotisten. Es
genügt, wenn wir in diesem Zusammenhänge etwa auf die Vor-
rede zu seinen Poemes131 verweisen, wo er die Antike der mo-
dernen Zeit, in der er nur Verfall sieht, gegenüberstellt, oder auf
ein Gedicht wie Hellas, in dem er das Verschwinden der alten
Götter beklagt. Bedeutete doch ihr Kultus Freude, Tanz, Gesang,
Wettkampf in der Arena, den Lorbeerkranz und die Gesundheit
des Herzens; aus unserem knechtischen Zeitalter möchte der
Dichter über zwei Jahrtausende hinweg zu den großen ge-
storbenen Nationen fliegen, die besser waren, als die jetzt
lebenden sind.
Mit dieser kurzen Bemerkung über Menard schließen wir
die Betrachtung fies französischen Exotisüms ab. Ein weiteres
Verfolgen des Exotismus von Juliette Lamber etwa mit ihren
„heidnischen“ Novellen Grecque (1878) 'und Paienne (1883)
bis zu Huysmans oder Anatole France hinauf würde im
wesentlichen nur zeigen, wie das Wunschbild, das die frü-
heren Exotisten aus dem Drang ihrer Sinne heraus mit Hilfe
ihrer Phantasie sich formten, mit der erweiterten Kenntnis
131 1. Ausgabe 1855; 2. Ausgabe 1863.