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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0011
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Rechtsbrauch und Kinderspiel.

11

Grenzpunkt verband. Was konnte nun besser den Ernst der
ganzen Handlung unterbrechen, als ein heiterer oder derber Spaß1,
der ein allgemeines Gelächter auslöste, ein Scherz, dessen Kosten
natürlich auch irgend jemand tragen mußte. Manche Scherz-
handlung hatte ehemals einen anderen, tieferen Sinn2, wurde aber
nun, nachdem die eigentliche Bedeutung vergessen war, nur von
der heiteren Seite aufgefaßt. Solche überraschenden Ereignisse
waren das Ohrenzupfen3, Ohrfeigen4, Haarrupfen5, Prügel6, in den
Bach stoßen7 und für den Grenzbegang natürlich vor allem charak-
teristisch das Stauchen8 auf dem Grenzstein. Vollkommen harmlos
und doch außerordentlich vergnüglich war gewiß das Wettlaufen
der Knaben nach einem bestimmten Stein, auf dem einige Münzen
hingelegt wurden9; noch größer war wohl der Spaß, den die Er-
wachsenen hatten, wenn die Jugend sich um die ausgeworfenen
Münzen, Äpfel oder Nestel balgte10. Recht derb ist hingegen der
Scherz zu nennen, der bei einem Grenzgang in Schlesien im Jahre
1587 sich ereignet haben soll, daß man nämlich allen anwesenden
Männern die Bärte abschnitt. Nur der Bürgermeister kam unbehel-
ligt davon, da er sich beizeiten entfernt hatte11. Waren also schon
1 Vgl. O. v. Gierke. Humor im deutschen Recht, 2. Auf!., 60f.
2 Vgl. §10.
3 Siehe § 18.
4 Siehe §19.
5 Siehe § 20.
6 Siehe § 27.
7 Stoßen in den Grenzbach beim Grenzbegang in Barntrupp (Lippe).
ZRhWestfVk. 2 (1908), 73. Vgl. den Wasservogelumritt“ in Adeldorf a. d.
Vils, der aber kultische Bedeutung hat. Grimm, Grenzaltertümer (Kl. Sehr. 2,
64). Vgl. Meyer, Bad. Volksl. 89, 142f., 147f., 220. Der Grenzbach der
Jugend gezeigt: 1776 Steir Gerichtsbeschr. (Mell Pirchegger), S. 252.
8 Siehe § 21.
9 „den buben zu laufen umb eenen kreitzer nach den krentzstein thut 6 alb“.
Bürgermeisterrechnung König im Odenw. 1722, HessBIVk. 2 (1903) 41.
10 Vgl. weiter unten §§31 ff. Dieser Spaß entspricht der Belustigung,
die der Hof an dem Tumult des Volkes hatte, wenn es bei Kaiserkrönungen
und anderen großen Festen ans Preismachen ging. Vgl. Sieber, Volksbelu-
stigungen bei Kaiserkrönungen ArchFrankfG.3 11 (1913), 67ff. Das Preis-
machen wird im Kinderspiel nachgeahmt: da werden Bohnen ausgeworfen
mit dem Rufe „Bohnenpreis!“ Meyer, Kinderspiele aus der Eifel. ZVk. 26
(1916), 364.
11 J. Grimm, Grenzaltertümer (Kl. Schriften 2, 63). RA.4 I, 203. Das
war wohl eine Übertreibung des Bartzupfens, das, ähnlich dem Ohrzupfen
vorkam. John, Sitte, Brauch und Volksglaube im deutschen Westböhmen,
1905, 335. Vielleicht ist das Rasieren von Neulingen wie es unter Hand-
 
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