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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0019
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Rechtsbrauch und Kinderspiel.

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war der Anlaß, daß es auch im Spiele nachgeahmt wurde1. Uns
wird auch berichtet, daß die Knaben nicht mit dem Gesäß auf § 21
einen schon stehenden Stein gestaucht wurden, sondern mit den
Köpfen in die Grube, die für einen neuen Stein bestimmt war2,
damit . . . desto gewisser und kundebarer Zeichen seyn, hat man auf
solchen platz ein loch gegraben, darin zur gedächtniss die zugezogenen
jungen knaben mit den köpfen gestutzet, auch mit einer pistole dareine
geschossen3, und demnächst ein stein drein gesetzt“. Obwohl dabei
nicht ausdrücklich hingewiesen ist auf die grausame Strafe des
Eingrabens für Grenzverletzer, so ist der Zusammenhang doch nicht
unwahrscheinlich. So wie die Kinder im Scherz als Markstein
gesetzt wurden, so war es im Ernstfall als Strafe angedroht4. Eine
Ergänzung der urkundlichen Stelle aus dem Westerwald bietet
eine mündliche Überlieferung vom Jahre 1852 aus Oberösterreich5:
Knaben, die beim Setzen eines neuen Marksteins Zusehen, werden
von den Arbeitern angelockt unter dem Vorwand, sie sollten helfen.
Gleich werden sie gepackt und verkehrt in das Loch gesteckt,
das für den Stein gegraben war. Nachdem sie so baumgestanden
(= kopfgestanden) waren, wurden sie wieder losgelassen und ge-
fragt, ob sie sich nun die Grenze gemerkt hätten.
Mädchen mußten sich auf den Grenzstein setzen und wurden § 23
gepufft. Das hieß in Württemberg häubeln oder zobeln6. Dazu
wurde getanzt und gesungen:
1 ZVk. 14 (1904), 371: Moristoansetzen (Drischlagspiel im oberen Inn-
tale). Mehrere Burschen, die Marksteine darstellen sollen, werden in Abstän-
den in der Stube postiert. Der Bauer richtet bald an diesem, bald an jenem
herum, bis er an einen kommt, hinter welchen man heimlich einen Teig auf
den Boden gelegt hat. Der Bauer faßt den Burschen unter den Achseln, hebt
ihn in die Höhe und setzt ihn unsanft auf den Boden wo der Teig liegt.
2 1694 Grimm W. I, 602.
3 Hineingeschossen wurde zur Vertreibung der Geister. „Schüsse der
gewehrten Bauerschaft“ erwähnt beim Flurumgang auch Zedler, Universal-
lexikon 9, 1375; wenn man aber wegen der Nachbarn davon Unruhe befürch-
tet, soll man Trommeln und Pfeifen nehmen. Laute Musik ist beim Grenz-
begang etwas Geläufiges. Lärm beim Flurumgang mit einem Brett und einem
Stück Holz vgl. Schobnaich, ZSchles. 38 (1904), 377, vgl. die Burgfried-
bereitung zu Schwanberg 1776. mit voranreittenden trcunpettenschall und
fügenden fahnen, . . mit drumbl und pfeiffenspüll . . mit ungemein krachenden
geschüz SteirGerichtsbeschr. (Mell-Pirchegger), S. 253; ebd. S. 331.
4 Verkehrt eingraben des Grenzfrevlers. Vgl. Günther, Idee der Wieder-
vergeltung I, 248.
5 Vernaleken, Alpensagen, 394.
6 Zum Häubeln vgl. Meyer, Bad. Volksleben, 84; zum Zobeln ebd. 107.
Vgl. S. 18 Anm. 5.

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