Rechtsbrauch und Kinderspiel.
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dere abschreckende Wirkung auf die Kameraden. Für letztere
Absicht würden wir heute freilich nach anderen Mitteln greifen.
e) Bei den Kindern gehört es zum Begriffe eines Festes, daß §30.
sie festlich bekleidet sind und etwas geschenkt bekommen. So
entspricht es nicht nur dem symbolbedürftigen Sinn unserer Vor-
fahren, sondern auch dem Kindergemüt, wenn die an Rechtsakten
teilnehmende Jugend festlich gekleidet ist. Beim Wetterauer
Wassergericht1 trug ein Knabe mit einem festlich geputzten Mäd-
chen den Nagel, der zur Rechtssymbolik dieses Gerichtes gehörte
und mit Blumen und roten, gelben und schwarzen Bändern ge-
schmückt war.
f) Von den Volksfesten, die ja größtenteils irgendwelchen reli- §31.
giösen Hintergrund hatten, haben sich aus naheliegenden Gründen
vor allem diejenigen gehalten, bei denen die Kinder beteiligt waren;
und etwas geschenkt bekamen. Es sind schließlich nur die Reste
für Kinder übrig geblieben. So ist beim Weihnachtsfeste heute die
Kinderbescheerung der Schwerpunkt, der Osterhase bringt etwas,
desgleichen der heilige Nikolaus, sodaß es nicht verwunderlich
ist, wenn die Kinder einen „Geburtstagsmann“ ihrer Erfindung
den anderen Gabenspendern an die Seite stellen, denn ohne schen-
kende mystische Person2 kein Fest. Bei einer großen Gruppe von
Festen warten die Kinder nicht bis sie beschenkt werden, sondern
gehen selbst Gaben einsammeln, die sie als ihnen geschuldete Ab-
gaben ,als „Rechte“ ansehen.
Ebensowenig wie ein Erwachsener brauchte auch das Kind
nicht umsonst mitzuwirken. Urkundsgeld und Weinkauf für die
Kinder waren natürlich dem kindlichen Bedürfnis angepaßt. Be-
wirtung, Geld und kleine Geschenke waren die Gegenleistung an
den jugendlichen Zeugen, wobei immer wieder betont wird, daß
dies zur Erinnerung, zum Gedächtnis geschehe. Es wurden ja
bei der Verteilung nicht immer nur die Kinder bedacht, obwohl
freilich die flinken Kinderhände selten zu kurz gekommen sein
werden, wenn Münzen oder Brot unter das Volk geworfen wurde3.
Brotspende und Münzauswurf konnten auch bei der gleichen § 32.
Gelegenheit geübt werden; so wird von Kaiser Ludwig dem Bayer
1 Grimm, W. 3, 463.
2 Für die Parallele mit dem Rechtsleben vgl. den Martinsmann, das
Walpertsmännchen usf., die Abgaben bringen.
3 Außer wenn das Gedränge zu groß war, wie z. B. bei Kaiserkrönungen.
Vgl. Sieber, Volksbelustigungen bei Kaiserkrönungen. Arch. f. Frankf. Gesch.3
11 (1913), 95.
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dere abschreckende Wirkung auf die Kameraden. Für letztere
Absicht würden wir heute freilich nach anderen Mitteln greifen.
e) Bei den Kindern gehört es zum Begriffe eines Festes, daß §30.
sie festlich bekleidet sind und etwas geschenkt bekommen. So
entspricht es nicht nur dem symbolbedürftigen Sinn unserer Vor-
fahren, sondern auch dem Kindergemüt, wenn die an Rechtsakten
teilnehmende Jugend festlich gekleidet ist. Beim Wetterauer
Wassergericht1 trug ein Knabe mit einem festlich geputzten Mäd-
chen den Nagel, der zur Rechtssymbolik dieses Gerichtes gehörte
und mit Blumen und roten, gelben und schwarzen Bändern ge-
schmückt war.
f) Von den Volksfesten, die ja größtenteils irgendwelchen reli- §31.
giösen Hintergrund hatten, haben sich aus naheliegenden Gründen
vor allem diejenigen gehalten, bei denen die Kinder beteiligt waren;
und etwas geschenkt bekamen. Es sind schließlich nur die Reste
für Kinder übrig geblieben. So ist beim Weihnachtsfeste heute die
Kinderbescheerung der Schwerpunkt, der Osterhase bringt etwas,
desgleichen der heilige Nikolaus, sodaß es nicht verwunderlich
ist, wenn die Kinder einen „Geburtstagsmann“ ihrer Erfindung
den anderen Gabenspendern an die Seite stellen, denn ohne schen-
kende mystische Person2 kein Fest. Bei einer großen Gruppe von
Festen warten die Kinder nicht bis sie beschenkt werden, sondern
gehen selbst Gaben einsammeln, die sie als ihnen geschuldete Ab-
gaben ,als „Rechte“ ansehen.
Ebensowenig wie ein Erwachsener brauchte auch das Kind
nicht umsonst mitzuwirken. Urkundsgeld und Weinkauf für die
Kinder waren natürlich dem kindlichen Bedürfnis angepaßt. Be-
wirtung, Geld und kleine Geschenke waren die Gegenleistung an
den jugendlichen Zeugen, wobei immer wieder betont wird, daß
dies zur Erinnerung, zum Gedächtnis geschehe. Es wurden ja
bei der Verteilung nicht immer nur die Kinder bedacht, obwohl
freilich die flinken Kinderhände selten zu kurz gekommen sein
werden, wenn Münzen oder Brot unter das Volk geworfen wurde3.
Brotspende und Münzauswurf konnten auch bei der gleichen § 32.
Gelegenheit geübt werden; so wird von Kaiser Ludwig dem Bayer
1 Grimm, W. 3, 463.
2 Für die Parallele mit dem Rechtsleben vgl. den Martinsmann, das
Walpertsmännchen usf., die Abgaben bringen.
3 Außer wenn das Gedränge zu groß war, wie z. B. bei Kaiserkrönungen.
Vgl. Sieber, Volksbelustigungen bei Kaiserkrönungen. Arch. f. Frankf. Gesch.3
11 (1913), 95.