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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0053
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Rechtsbrauch und Kinderspiel.

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gewiß harmloser und freundlicher geworden. So im lippeschen
Dorfe Almena1, in Schmalkalden und im Südharz. In Schmal-
kalden tragen kleine Mädchen an diesem Tage Papiermützen2
wie seinerzeit die Ketzer und Hexen — und werden als Hexen
von den Walpermännchen verfolgt. Im Südharz reiten die Buben
auf Steckenpferden den Hexen bis zur Flurgrenze entgegen3.
Das heitere Pfänderspiel „stirbt der Fuchs, so gilt der Balg“, im
Niederdeutschen auch „lütje funke lewet noch“ genannt, das auch
in Frankreich und England gespielt wird, hat vermutlich seinen
Anfang in einem grauenhaften Brauch aus der Zeit des Zauber-
wahns. Bei diesem Spiel wird bekanntlich ein Licht herumgereicht
und wem es verlöscht, der muß ein Pfand geben. Dazu paßt unheim-
lich ein Brauch, den man der mittelalterlichen Sekte der boni
homines zuschreibt; sie sollen Kinder getötet haben und das Kind
in seinen letzten Atemzügen mit dem Spruche „petit bonhomme
vit encore“ von einem zum andern weitergegeben haben. In wessen
Armen das Kind den Geist aufgab, auf dem ruhte der Geist4.
b) Eine Beihe von Strafen kehren im Kinderbrauch wieder § 81.
und leben da noch lange, nachdem sie in den Gerichten abgeschafft.
Von den Todesstrafen ist die volkstümlichste der Galgen. Ihn § 82.
finden wir in neckischer Harmlosigkeit beim „Wörter erraten“
oder „Aufhängenspiel“, bei dem für jeden falsch geratenen Buch-
staben eines Wortes ein Strich weiter gezeichnet wird: aus diesen
Strichen entsteht erst ein Galgen und dann der daran baumelnde
Galgenvogel. Je nachdem, ob die Zeichnung früher fertig ist oder
früher das Wort erraten wird, hat der eine oder der andere gewon-
nen. Das Spiel ist wohl ein Rest des alten Brauches der Hals- § 83.
lösungsrätsel. Da kann sich ein Straffälliger dadurch von der
Strafe befreien, daß er im einen Fall ein Rätsel löst, im anderen
aber eines stellt, das die Richter nicht lösen können5.
Ein Pfänderspiel heißt klangen. Dabei stellt sich der Büßende, § 84.
der sein Pfand einlösen muß, gerade hin und sagt: „Ik hang, ik
1 ZRhWestfVk. 5 (1908), 72.
2 Vgl. das Bild bei Fehrle, Deutsche Feste, 62.
3 Ebenda.
4 Singer, ZVk. 13 (1903), 168. Bolte, ZVk. 19 (1909), 406. Kahle,
Seele und Kerze, HessBlYk. 6 (1907), 9ff.
5 Kögel, Gesch. d. d. Lit., I. Bd., 2. Teil, S. 168ff. Andree, Braun-
schweig. Volkskunde2, 494. NdSachsen 6, 341. Wossidlo, Mecklenb. Volks-
überlieferungen, 189ff. Böhme, Kinderlied, p. 52f.
 
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