Rechtsbrauch und Kinderspiel.
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Spielverbote und Verbote von Volksbräuchen finden wir in den §102.
Rechtsquellen sehr zahlreich und sehr früh. In aller Regel handelt
es sich bei den Spielverboten nicht um Kinderspiele, sondern um
Kartenspiel, Würfelspiel und andere Glückspiele der Erwachsenen.
Freilich hat die Spielwut Erwachsener zu allen Zeiten auch die
Kinder mitergriffen, doch sind dann die Kinder rechtlich oft ge-
schützt worden, indem sie nur einen ganz kleinen Retrag verspielen
konnten, für Spieldarlehen nicht hafteten1 usw. Werden sie bei
verbotenem Spiel ertappt, so ist etwa die Strafe die, daß der Vater
sie in Gegenwart von Amtspersonen züchtigen muß2.
Wenn kindliche Bräuche wegen Ausartung verboten wurden, §103.
so waren diese Überschreitungen und Ausgelassenheiten nicht selten
den Halb- und Ganzerwachsenen zuzuschreiben3. Das Weistum
über die Rechte der Straßburger Münzerhausgenossen von 1320
verbietet z. B. das Schneeballwerfen4; die Schulkinder werden
deshalb gewiß noch ihre Schlachten haben aufführen dürfen. Vor
dem Brandenburger Schöffenstubl kam einmal ein Fall, daß ein
Baujunge so ‘gebotterset’ worden war, daß er daran starb5. Über-
maß und Ausartung wird ein Hauptgrund für die Bekämpfung von
Kinderspielen und Bräuchen gewesen sein, daneben aber erkennen
wir bisweilen religiöse, abergläubische, hygienische, polizeiliche
1 Fehr, Die Rechtstellung der Frau und Kinder in den Weistümern
251, 254. Die einschlägigen Quellenstellen schließen in der Regel die großen
Kinder, die mündigen Minderjährigen ein, wenn sie von Kindern sprechen.
2 Knapp, Altregensburgs Gerichtsverfassung, S. 252.
3 Wie jemand übel „mitgespielt“ werden konnte lehren die Hänsel-
bräuche. Vgl. Harttung. Die Spiele der Deutschen in Bergen. Hansische
Geschichtsbl. 7 (1879), 69ff. Krause, Zu den Bergenschen Spielen, ebd. 10
(1882), 109ff. Vgl. auch die Schlägerei zwischen zwei „Königreichen“ oben
§ 2; da kam es aber zu keinem Verbot, sondern zum Ausgleich vor dem Rat.
4 Eheberg, S. 188. Vgl. 1413 Stadrechten vom Nymegen (uitg. d.
Crone en Pols) I, 14, 57. 1569 Keuren von Brielle (uitg. d. Jager) 408.
Drost, NI. Kinderspel, 92.
5 17. Jhd. Brandenb. Schöppenstuhlsakten 4, 192. Das Spiel bestand
darin, daß einer bei Kopf und Füßen genommen wurde und mit dem Hinteren
auf den Boden oder an die Wand gestoßen wurde. Es kommt auch als Strafe
vor. Die Matrosen werden am Mastbaum gebotarst 1567 NdSachs. 6, 242.
bortäersen Jus maritimum lib. 4 c. 20 n. 48 Ausgabe 1740, S. 588. Kluge,
Seemannssprache, 134 (botteersen). Strafe für zu spätes Erscheinen beim
Herrendienst: NdSachs. 5, 324. In einer Übersetzung von Olaus Magnus,
De gentibus sept. 10 cap. 16 von 1567 heißt es: so arssbosen in die Gesellen
und stossen ihm den Hinteren drei Mal hart wider den Mastbaum. Der gleiche
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Spielverbote und Verbote von Volksbräuchen finden wir in den §102.
Rechtsquellen sehr zahlreich und sehr früh. In aller Regel handelt
es sich bei den Spielverboten nicht um Kinderspiele, sondern um
Kartenspiel, Würfelspiel und andere Glückspiele der Erwachsenen.
Freilich hat die Spielwut Erwachsener zu allen Zeiten auch die
Kinder mitergriffen, doch sind dann die Kinder rechtlich oft ge-
schützt worden, indem sie nur einen ganz kleinen Retrag verspielen
konnten, für Spieldarlehen nicht hafteten1 usw. Werden sie bei
verbotenem Spiel ertappt, so ist etwa die Strafe die, daß der Vater
sie in Gegenwart von Amtspersonen züchtigen muß2.
Wenn kindliche Bräuche wegen Ausartung verboten wurden, §103.
so waren diese Überschreitungen und Ausgelassenheiten nicht selten
den Halb- und Ganzerwachsenen zuzuschreiben3. Das Weistum
über die Rechte der Straßburger Münzerhausgenossen von 1320
verbietet z. B. das Schneeballwerfen4; die Schulkinder werden
deshalb gewiß noch ihre Schlachten haben aufführen dürfen. Vor
dem Brandenburger Schöffenstubl kam einmal ein Fall, daß ein
Baujunge so ‘gebotterset’ worden war, daß er daran starb5. Über-
maß und Ausartung wird ein Hauptgrund für die Bekämpfung von
Kinderspielen und Bräuchen gewesen sein, daneben aber erkennen
wir bisweilen religiöse, abergläubische, hygienische, polizeiliche
1 Fehr, Die Rechtstellung der Frau und Kinder in den Weistümern
251, 254. Die einschlägigen Quellenstellen schließen in der Regel die großen
Kinder, die mündigen Minderjährigen ein, wenn sie von Kindern sprechen.
2 Knapp, Altregensburgs Gerichtsverfassung, S. 252.
3 Wie jemand übel „mitgespielt“ werden konnte lehren die Hänsel-
bräuche. Vgl. Harttung. Die Spiele der Deutschen in Bergen. Hansische
Geschichtsbl. 7 (1879), 69ff. Krause, Zu den Bergenschen Spielen, ebd. 10
(1882), 109ff. Vgl. auch die Schlägerei zwischen zwei „Königreichen“ oben
§ 2; da kam es aber zu keinem Verbot, sondern zum Ausgleich vor dem Rat.
4 Eheberg, S. 188. Vgl. 1413 Stadrechten vom Nymegen (uitg. d.
Crone en Pols) I, 14, 57. 1569 Keuren von Brielle (uitg. d. Jager) 408.
Drost, NI. Kinderspel, 92.
5 17. Jhd. Brandenb. Schöppenstuhlsakten 4, 192. Das Spiel bestand
darin, daß einer bei Kopf und Füßen genommen wurde und mit dem Hinteren
auf den Boden oder an die Wand gestoßen wurde. Es kommt auch als Strafe
vor. Die Matrosen werden am Mastbaum gebotarst 1567 NdSachs. 6, 242.
bortäersen Jus maritimum lib. 4 c. 20 n. 48 Ausgabe 1740, S. 588. Kluge,
Seemannssprache, 134 (botteersen). Strafe für zu spätes Erscheinen beim
Herrendienst: NdSachs. 5, 324. In einer Übersetzung von Olaus Magnus,
De gentibus sept. 10 cap. 16 von 1567 heißt es: so arssbosen in die Gesellen
und stossen ihm den Hinteren drei Mal hart wider den Mastbaum. Der gleiche