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E. Frh. v. Künssberg: Rechtsbrauch und Kinderspiel.
§104. oder andere Motive. Als Beispiele1 seien erwähnt: im Jahre 1249
schaffte eine Papstbulle das Nikolausfest mit dem Kinderbischof
für das Kloster Prüfening ab2. 1503 wurde das Kugelspiel in Nürn-
berg erst nach dem Gottesdienst erlaubt3. 1620 finden wir ein
Verbot des Nikolausspieles, weil es ein päpstliches Fest sei4. Galgen
und Rad sollten die Kinder nicht an die Wand malen, sonst kämen
sie selbst daran5. Wegen Seuchengefahr untersagte man in Nürn-
berg 1604 den Kindern vermummt um Fastnachtskücheln zu
bitten6. In der gleichen Stadt wurde 1613 der Schulausflug ver-
boten wegen zu großem Putz7, 1553 wurde das Peitschen und Knal-
len im Haag untersagt8. Das Umsingen auf Straßen zu den ver-
schiedenen Gelegenheiten, der Maibaum, allerlei Kinderspiele, ja
sogar das Spiel mit Steinkügelchen verfiel bisweilen der Strafe;
so wurden die Züricher Buben 1530 mit dem Drillhäuschen bedroht
für dies harmlose Spiel. Da waren die Stadtväter in Nördlingen
doch einsichtiger; die verzeichneten um 1426 in einer Ordnung
diejenigen Kinderspiele, die sie gestatten wollten9. Da wußte die
Jugend doch, was sie durfte.
Der Glaubenseifer der Reformation, die Vorsorglichkeit des
17. Jahrhunderts, das die Verrohung durch den langen Krieg zu
bekämpfen hatte, sie wurden weit übertroffen durch die Pedan-
terie und Ängstlichkeit, mit der das Aufklärungszeitalter gegen
§105. Volksbräuche vorging. So konnten Erwachsene nach einer hes-
sischen Verordnung von 1781 für das „Hemmen“ der Hochzeiten10,
also das Seilspannen vor dem Hochzeitszug Turmstrafe oder sogar
Zuchthaus gewärtigen, Schulkinder wurden dafür in der Schule
Brauch bestand bei den Kaufgesellen in Königsberg. Frischbier, Preuß.
Sprichwörter2, 133. In Holstein hieß es „stütteersen“ Handelmann, Volks-
und Kinderspiel aus Schleswig Holstein, 1874, S. 43, 108. In Niederösterreich
„lunznen“ s. oben S. 18.
1 Vgl. Böhme, Kinderlied, S. 48 ff. B'olte, ZVk. 19 (1909), 382.
2 Boesch, Kinderleben, 105. Ziegler, Gesch. d. Pädagogik4, 28.
3 Boesch S. 70.
4 Volkskunde 20, 225 f.
5 Döpler, Schauplatz der Leibesstrafen II, S. 256.
6 Boesch S. 79.
7 Drost, Nederlandsch kinderspel, S. 115; ebd. 51, 61, 63f., 78, 102,
110, 118ff. 135 f. 149f. allerlei andere Spielverbote namentlich aus dem 15.
und 16. Jahrhundert.
8 Boesch 105.
9 Wehri-ian, Kinderlied 4, S. 102.
10 E. H. Meyer, Badisches Volksleben im 19. Jhd., 276ff. Fehrle,
Vorspannen und andere Volksbräuche. Mein Heimatland (1914), 55ff.
E. Frh. v. Künssberg: Rechtsbrauch und Kinderspiel.
§104. oder andere Motive. Als Beispiele1 seien erwähnt: im Jahre 1249
schaffte eine Papstbulle das Nikolausfest mit dem Kinderbischof
für das Kloster Prüfening ab2. 1503 wurde das Kugelspiel in Nürn-
berg erst nach dem Gottesdienst erlaubt3. 1620 finden wir ein
Verbot des Nikolausspieles, weil es ein päpstliches Fest sei4. Galgen
und Rad sollten die Kinder nicht an die Wand malen, sonst kämen
sie selbst daran5. Wegen Seuchengefahr untersagte man in Nürn-
berg 1604 den Kindern vermummt um Fastnachtskücheln zu
bitten6. In der gleichen Stadt wurde 1613 der Schulausflug ver-
boten wegen zu großem Putz7, 1553 wurde das Peitschen und Knal-
len im Haag untersagt8. Das Umsingen auf Straßen zu den ver-
schiedenen Gelegenheiten, der Maibaum, allerlei Kinderspiele, ja
sogar das Spiel mit Steinkügelchen verfiel bisweilen der Strafe;
so wurden die Züricher Buben 1530 mit dem Drillhäuschen bedroht
für dies harmlose Spiel. Da waren die Stadtväter in Nördlingen
doch einsichtiger; die verzeichneten um 1426 in einer Ordnung
diejenigen Kinderspiele, die sie gestatten wollten9. Da wußte die
Jugend doch, was sie durfte.
Der Glaubenseifer der Reformation, die Vorsorglichkeit des
17. Jahrhunderts, das die Verrohung durch den langen Krieg zu
bekämpfen hatte, sie wurden weit übertroffen durch die Pedan-
terie und Ängstlichkeit, mit der das Aufklärungszeitalter gegen
§105. Volksbräuche vorging. So konnten Erwachsene nach einer hes-
sischen Verordnung von 1781 für das „Hemmen“ der Hochzeiten10,
also das Seilspannen vor dem Hochzeitszug Turmstrafe oder sogar
Zuchthaus gewärtigen, Schulkinder wurden dafür in der Schule
Brauch bestand bei den Kaufgesellen in Königsberg. Frischbier, Preuß.
Sprichwörter2, 133. In Holstein hieß es „stütteersen“ Handelmann, Volks-
und Kinderspiel aus Schleswig Holstein, 1874, S. 43, 108. In Niederösterreich
„lunznen“ s. oben S. 18.
1 Vgl. Böhme, Kinderlied, S. 48 ff. B'olte, ZVk. 19 (1909), 382.
2 Boesch, Kinderleben, 105. Ziegler, Gesch. d. Pädagogik4, 28.
3 Boesch S. 70.
4 Volkskunde 20, 225 f.
5 Döpler, Schauplatz der Leibesstrafen II, S. 256.
6 Boesch S. 79.
7 Drost, Nederlandsch kinderspel, S. 115; ebd. 51, 61, 63f., 78, 102,
110, 118ff. 135 f. 149f. allerlei andere Spielverbote namentlich aus dem 15.
und 16. Jahrhundert.
8 Boesch 105.
9 Wehri-ian, Kinderlied 4, S. 102.
10 E. H. Meyer, Badisches Volksleben im 19. Jhd., 276ff. Fehrle,
Vorspannen und andere Volksbräuche. Mein Heimatland (1914), 55ff.