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Friedrich; Obser, Karl [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 1. Abhandlung): Jugenderinnerungen Großherzog Friedrichs I. von Baden: 1826 - 1847 — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37792#0012
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IV

Kahl Obser:

In schlichter, klarer und anschaulicher Erzählung machen sie
uns mit den Personen und Verhältnissen vertraut, die den jungen
Fürstensohn umgeben. Es ist noch vielfach das beschauliche, be-
häbige Leben der letzten Biedermeierzeit, in das sie uns einführen,
wo Handel und Wandel, unberührt von Hasten und Drängen, sich
noch in ruhigen, einfachen Formen bewegt, wo der Verkehr noch
im Zeichen der Postkutsche steht, wo man noch mit Zweifeln und
Mißtrauen an die ersten Eisenbahnbauten im Lande herantritt. Von
den politischen Kämpfen im Landtage, die jene Jahre durchziehen
und eine neue Zeit ankünden, dringt nur gelegentlich ein Wider-
hall in die Kinderstube.
Erziehung und Unterricht des Prinzen Friedrich und seines
älteren Bruders Ludwig leitet bis zu ihrer Konfirmation im Jahre
1841 ein früherer Theologe, Dr. Karl Friedrich Rinck, den schon
die Mutter, Großherzogin Sophie, als ihren Lehrmeister schätzen
gelernt hatte. Ein Mann von vielseitiger Bildung und Erfahrung,
von gesunden pädagogischen Anschauungen, von sittlichem Ernst
und freimütiger Gesinnung, der seine verantwortungsvolle Aufgabe
nach besten Kräften zu lösen strebte. In zwei handschriftlich über-
lieferten Denkschriften über ,,die Erziehung eines großherzoglichen
Erbfürsten“ und den „Wirkungskreis des Erziehers“ hat er seine
Gedanken darüber näher dargelegt; sie zeigen, in welchem Geiste
er sein Programm durchgeführt wissen wollte und seines Amtes
waltete. Ausbildung des Körpers, des Gemütes und des Geistes,
Erziehung zur Vaterlandsliebe, Geschichtskunde und Selbständig-
keit sind die Hauptziele. Erziehung und Unterricht sollen vereint
in einer Hand liegen, die die Gefahren abzuwehren weiß, die aus
höfischer Umgebung allzuleicht erwachsen, und „zudringliche Krie-
cherei und schamlose Unterwürfigkeit“ fernhält, die schon
„reife Männer und reiche Staaten zu Grund gerichtet“ haben.
Der junge Fürst ist frühzeitig auf die Not der Armen hinzuweisen;
in seiner Abkunft erkenne er „die Aufgabe, bescheiden von sich und
hoch von seiner Pflicht zu denken“. Unter allen Sprachen, die er
zu lernen habe, soll ihm keine lieber sein als die der Wahrheit.
Frömmigkeit „statt des toten Buchstabens ist Sache des Lebens“.
Von Kindheit an muß ihm eine Bildung zuteil werden, „welche
brauchbar und vorurteilsfrei das allgemein Menschliche mit dem
Besonderen des Standes und Berufes möglichst zu verschmelzen
trachtet“. Ziel der Bildung kann nicht sein, in allem „ein zunft-
mäßiges Wissen“ zu erlangen, es gilt vielmehr vor allem, die Urteils-
 
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